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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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wünschen, daß er lange lange noch für uns bleiben möge weil wir darinn vollkommen Edel fühlen und gestärkt …«
    Seine Antwort hatte er ihr gegeben: »… Wehe! Du liebender / Schutzgeist! ferne von dir spielen zerreißend bald / Auf den Saiten des Herzens / Alle Geister des Todes mit mir. // O so bleiche dich denn, Locke der mutigen / Jugend! Heute noch, du, lieber als morgen mir // … hier, wo am einsamen / Scheidewege der Schmerz mich, / Mich der Tötende niederwirft.«
    Den Kriegsverlauf doch abwartend, hält er sich noch fast einen Monat in Homburg auf, ohne daß sie es erfährt. Das Warten läßt ihn erstarren.
    Sie wird nicht mehr am Fenster stehen, sie hat sich abgewendet. Gontard wird versuchen, sie ins Gespräch zu ziehen, Feste für sie zu veranstalten, aber nun, nach der Trennung, heuchelt sie nicht mehr. Sie zieht sich in ein immer kraftloser werdendes Verstummen zurück. Wie ein hämisches Echo halten sich die Gerüchte, wird geflüstert, gehechelt, wird den Freunden, Gästen, Neuankömmlingen die Geschichte verzerrt vorgetragen, so daß Bettina von Brentano verstört an Karoline von Günderode schreiben kann: »… Ich darf ihn hier in Frankfurt gar nicht nennen, daschreit man die fürchterlichsten Dinge über ihn aus, blos weil er eine Frau geliebt hat um den Hyperion zu schreiben.«

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    VI
    Der Friedensbote
    So sind Sinclair und er noch nie auseinandergegangen; beinahe ängstlich vor Gefühlen, sie haben Strapazen hinter sich, brauchen beide Ruhe.
    Laß von dir hören.
    Du von dir.
    Und komm, wenn du mich brauchst, Hölder.
    Ja.
    Nicht nur sein Geist, auch sein Körper ist so erschöpft, daß keine Anstrengung ihm mehr etwas anhaben kann. Er taumelt mehr, als daß er läuft. Am Nachmittag des dritten Tages hat er, von den Fildern kommend, Nürtingen vor sich.
    Sechs Jahre war er nicht hier. Städte wie diese verändern sich nur allmählich. Der Krieg hatte kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Doch von den Frauen hörte er, wie unaufhörlich requiriert wurde, wie sie sich bis an den Rand des Hungers einschränken, wie sie zusammenrücken mußten, um den einquartierten Soldaten Platz zu machen, die keine Rücksichten nahmen, die Mädchen und Frauen belästigten und sich um die Nöte der Bevölkerung nicht kümmerten.
    Vor der Neckarbrücke waren zwei Häuser neu gebaut.
    Waren sie neu? Oder hat er sie nur vergessen?
    Er läuft, wie von einer Schnur gezogen, seiner Kindererinnerung nach: Durchs Neckartor, das verfällt und das manbald abbricht, zum Kirchturm hinaufschauend, dann die Neckarsteige, bis zum Hoftor. Den klobigen Türklopfer erinnert er. Oder die Diele im ersten Stock mit den schiefen Türrahmen links und rechts, dort zu Rike, da zu mir.
    Das hat er nicht mehr.
    Er muß anders heimkommen. Er macht einen Umweg über den Kirchberg, die Marktstraße, geht durch das Höfle, zwischen Bürgermeisteramt und Henzlerschem Haus, bleibt vor der Lateinschule stehen, geht, wie früher, genau dem Schatten der Kastanien nach, erst die Gerade des Stammes, dann den Kreis der Krone, biegt in die Kirchgasse ein und hat plötzlich das Verlangen, am Breunlinschen Haus vorbeizurennen, aus der Stadt hinaus, niemanden zu sehen, zu begrüßen.
    Im Haus riecht es anders als im Schweizer Hof, nicht nach Winteräpfeln und Wein. Er lehnt sich ans Treppengeländer, wartet. Nach einer Weile ruft er: Ist hier jemand?
    Des isch d’r Fritz, hört er Heinrike.
    Sie kommen die Treppe herunter, alle in Schwarz, zerren an ihm, reißen ihn an sich, schleppen ihn hoch, lassen nicht ab von ihm, bis er lachend ruft: Ihr bringt mich um.
    Bist du müd?
    Da bist du endlich.
    Hast du Durst, Hunger?
    Willst du ausruhen?
    Laß di agucke.
    D’r Fritz.
    Sie kommen nicht zur Ruhe, bringen Most und Brot, schleppen sein Gepäck weg, stecken die Köpfe zusammen, schlüpfen vor seinen Augen in ein einziges, wallendes schwarzes Gewand, hasten wieder auseinander.
    Setzt euch doch hin.
    Er sieht sich in der Stube um. Die Möbel kennt er, den Tisch, den großen Schrank. Doch sie sind aus einem fest erinnerten Bild in ein unvertrautes, engeres gerückt.
    Sie reden weiter auf ihn ein, erzählen ihm wirre Neuigkeiten aus der Stadt, daß der Kraz so krank war, die Breunlins Einquartierung gehabt hätten, sie selber gottlob nicht. Die Mutter ist sich gleich geblieben, doch Heinrike hat ein Lebensalter übersprungen und ist zur Zwillingsschwester Johannas geworden.
    Wo sind deine Kinder, Rike?
    Im Garten hinterm Haus. Soll ich sie

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