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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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Landauer sieht ihn, erschrickt.
    Hölder!
    Ja, Christian. Hölderlin beobachtet seinen Freund, weiß, welchen Eindruck er macht.
    Landauer will ihn in die Arme nehmen, doch Hölderlin schiebt ihn von sich weg: Ich stink. Laß.
    Landauer schwätzt, ohne Pause, über seinen Schrecken hinweg, erzählt von Conz, Neuffer, von den Kindern, was inzwischen vorgefallen ist, daß die Hauptwache abgerissen werden soll, denk! Daß Ströhlin Krach mit der Regierung hat und daß Sinclair zu Besuch gewesen ist, gemeinsam mit Baz, denk! Daß sein Zimmer für ihn bereitstehe, so wie er es verlassen habe, mit dem neuen schönen Schreibtisch, daß er ganz ungestört schreiben könne, sich mit den Kindern nicht mehr beschäftigen müsse, die seien gut versorgt, daß Huber Anstände mit der Zensur habe, denk! Und daß er den besten Rotwein seit Jahren im Keller habe,daß sie ihm nun ein Bad bereiten müßten, daß Matthisson ein neues Bändchen mit Gedichten veröffentlicht habe, denk!
    Und daß …
    Matthisson geh ich jetzt besuchen.
    Warum das?
    Ja, warum das?
    Das kannst du nicht, Hölder, du mußt deinen Anzug wechseln, dich erfrischen. Du bist sicher hundemüde.
    Ich bin ganz wach, Christian, wach wie selten. Dem Matthisson muß es doch eine Freude machen, mich so zu sehen.
    Bitte, bleib bei uns.
    Ich komm gleich wieder.
    Wann?
    Erst muß ich auch nach Nürtingen.
    Du kannst dich doch kaum auf den Beinen halten.
    Oh, meine Füße sind schon ärmer drangewesen.
    Komm, bleib bei uns.
    Grüß die Luise und die Mädchen.
    Bei Matthisson muß er durch den Garten, ein geschniegelter Herr fängt ihn ab. Zu wem er wolle?
    Er möchte den Herrn Hofrat Matthisson besuchen.
    Der Mann mustert ihn abfällig. Er könne nicht annehmen, daß Herr Hofrat ihn empfangen wolle.
    Nicht wahr, in diesem Aufzug? Die Situation beginnt ihn zu vergnügen.
    Wen kann ich denn melden?
    Wenn Sie könnten, wie Sie wollten, würden Sie, mein Herr, niemanden melden. Jetzt kann er auch wieder ohne Stockung reden.
    Ich bitte Sie, mein Herr.
    Melden Sie Herrn Hölderlin aus Bordeaux.
    Herrn Hölderlin? Friedrich Hölderlin?
    Eben jenen. Ist der Herr Ihnen bekannt?
    Einige seiner Gedichte. Ich bin der Sekretär des Herrn Hofrat.
    Meinen Sie, der Herr Hofrat empfängt mich im Garten oder im Hause?
    Es scheint mir …
    Sie ziehen den Garten vor, wie ich merke.
    Der Sekretär eilt aufgeregt ins Haus, kehrt in der Begleitung Matthissons gleich wieder. Der große Mann hat sich wenig verändert, der ihn in Tübingen in die Arme schloß und die Zukunft versprach, der ihn vergaß und nicht vorhanden war, als er Hilfe gebraucht hätte. Aber das Spiel, das Hölderlin hatte spielen wollen, gelingt ihm nicht. Die Sprache gehorcht ihm nicht mehr, er fühlt, wie sich sein Gesicht verzerrt, wie eine grundlose, doch übermächtige Wut seinen Leib beben läßt. Er bemüht sich, einen Bückling zu machen, schlenkert ausholend mit den Armen.
    Matthisson bleibt in einem Abstand von ihm stehen.
    Hölderlin, lieber Himmel! Matthisson ist sich nicht sicher, ob er den verwildert aussehenden, sichtlich kranken Mann ins Haus führen solle. »Er war leichenblaß, abgemagert, von hohlem wilden Auge, langem Haar und Bart, und gekleidet wie ein Bettler.«
    Matthisson muß sich nicht weiter Gedanken machen, denn Hölderlin verläßt wortlos den Garten, macht auf der Straße eine Art von Bocksprung, rennt, die Arme in die Luft reißend, davon.
    Bei Hardt übernachtet er in einer Scheune, kommt erst am andern Tag in Nürtingen an. Er nimmt die Abkürzung über den Galgenberg, ohne Vorsatz, so wie er es gewohntwar, die Leute in der Stadt weichen vor ihm zurück, die meisten erkennen ihn nicht, wieder hält er erst vorm Schweizer Hof, bleibt eine Weile, mit sich murmelnd, stehen, wird von Kindern ausgelacht, geht weiter, in die Kirchgasse, schreit, als er ins Haus tritt: Naus, alle naus! schlägt, als Hände nach ihm fassen, um sich, glaubt die Stimme Johannas zu hören, es ist ihm gleichgültig, sie schleifen ihn eine Treppe hoch, werfen ihn aufs Bett, ziehen ihn aus, Johanna und Heinrike, beide schluchzen, lassen aber nicht ab davon, ihm die Fetzen vom Leib zu reißen, ihn mit Tüchern abzureiben, zu waschen.
    Wie mager er ist.
    Er mußt seit Tagen nicht mehr gegessen haben.
    Des isch’s Gemüt.
    Wer isch des g’wese?
    Da hat niemand Schuld.
    Wär er nur daheim geblieben. Ich hab ihn angefleht.
    Er ist krank. Geh den Doktor Planck holen.
    Sie sollten ihm Brühe einflößen, in Ruhe lassen, sagt der

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