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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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Wohnräume der Lehrer sehen, während die Eltern vom Propst zu einem Vesper geladen sind, das aber, so wurde andern Tags kolportiert, vom Geiz des Gastgebers ausgezehrt gewesen sei, nichts Ordentliches habe es gegeben, den sauersten Most, den man sich denken kann.
    Adieu, liebe Mamma.
    Sie umarmt ihn. Erst schämt er sich, sieht jedoch, daß auch die andern zum Abschied liebkost werden.
    Schreib mir nur fleißig, Fritz, sag, wenn dir etwas nicht paßt. Horch auf deine Lehrer, vor allem auf den Herrn Propst. Und lern, Büble, lern.
    Sie können sicher sein, Mamma.
    Beim ersten Abendessen, zu dem man sich punkt sechs im Refektorium trifft, liest noch der Lehrer Hesler aus dem Neuen Testament vor; vom nächsten Tag an besorgen dies die Schüler im Wechsel.
    Die Neuankömmlinge werden an diesem Tag müde gewesen sein; die Unruhe in den Zellen wird sich bald gelegt haben, es kann sein, zwei oder drei der späteren Wagehälse haben sich jetzt schon bemerkbar gemacht, sind übers Dorment gehuscht, haben Türen aufgerissen: Seid doch endlich still. Ja, ja.
    Nein, von der Idylle, die dem Nachgekommenen ein ländliches Wohlbefinden suggeriert, bleibt nichts. Die »Statuten der Alumnorum in den vier besetzten Clöstern des Herzogtums Württemberg« (Denkendorf, Maulbronn, Schöntal und Blaubeuren) wurden 1757 ausgefertig und von »Seiner Hoch-Fürstlichen Durchlaucht bestätigt«. Diese schon zu Hölderlins Zeit veraltete und überstrenge Ordnung sollte nach dem Willen des Landesherrn und der Kirchenobern »zu allen Quartalen … vor allen Alumnis durch einen Professoren in Gegenwart des Prälaten verständlich vorgelesen und declariret werden«. Nach den Einträgen, die auf dem Umschlag der Statuten erhalten sind, waren Hölderlins Lehrer im Jahre 1785 säumig: sie haben die Paragraphen nicht ein einziges Mal verlesen. Aber sie drohten und wurden bei Verstößen angewandt. In drei Kapiteln und sechsundachtzig Paragraphen wird festgehalten, was zu beachten ist, von den »Pflichten und dem rechten Bezeugen«, was zu beachten ist gegen Gott und die Oberen, woran man sich zu halten hat und wogegen nicht zu verstoßen ist, was man fürchten soll und was, fürchtet man es nicht, gegen einen ausschlägt, nicht mehr nur Anordnung, sondern Strafe.
    Und die Angst wird sie gepreßt haben, wenn sie Unerlaubtes lasen, wenn sie wider die Lehrer aufbegehrt haben, wenn sie nach der Freistunde zu spät in die Schule zurückkamen, wenn sie mit dem niederen Personal in der Schule verkehrten, denn es ist auch nicht erwünscht, »damit Reibungen mit den Closters-Officianten« – das sind die, die dienen und helfen – »vermieden und diese in ihren Verrichtungen nicht behindert werden sollen, sollen sich die Alumni der Küche, Bindhaus, Kellers, Pfisterey, Mayerey, Melkerey, Häusern, Mühlinnen, Wagenhaus, Schmitden und dergleichen enthalten, darein nicht vagiren, auch bey denen darin bestellten Personen keinen Anhang haben und machen!« Gebt euch nicht näher mit denen ab, heißt es, ihr habt zu lernen und seid die Feinen. Da werden Hierarchien vorgeschrieben und eingebleut. Wer sich gemein macht, hat mit Ärger zu rechnen. Aber es reizt. Die Buben vagieren häufig. So birst auch hier wieder das schöne Bild. Man hat sich einen autonomen Betrieb zu denken, eine Art Fabrik (also war die Einrichtung einer Senfherstellerei im späten 19. Jahrhundert durch die Kauffmanns gar kein Sakrileg, sondern eine Fortsetzung) – Geschichte bricht ab, und neue Geschichten werden erzählt.
    Sie sollen sich im Gebet nicht nur öffentlich und in Gemeinschaft fleißig üben, sondern auch für sich.
    Sie sollen auf die Riten und Zeremonien der Kirche achten. Sie sollen sich der asketischen Schriften, »obschon sonst gut«, enthalten (womit die pietistischen Traktate gemeint waren, die der Orthodoxie mißfielen).
    Sie sollen den Prälaten und den Professoren schuldigen Respekt und Gehorsam erweisen und sich nach ihrem Abgang nicht durch unbegründete üble Nachrede und Lästerung mit schändlichem Umgang an ihnen versündigen (als hätten schon die Verfasser der Statuten den Unrat geahnt, daß die sattsam Belehrten einmal frei, nicht mehr auf der Klosterschule und nicht mehr auf dem Stift, voll erinnernder Wut »wahrreden« würden, wie etwa Jakob Friedrich Abel, der das Essen beklagte, von dem man nur weniges genießen konnte, die Kälte – das wird in einem Tageslauf noch zu beschreiben sein).
    Sie sollen nicht »heimliche Schulen« machen.
    Sie sollen sich des

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