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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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Gebirgsvolk die Freiheit erkämpft: »Ihr Väter der Freien! / Heilige Schar! nun schaun wir hinab, hinab, und erfüllt ist, / Was der Ahndungen kühnste versprach; was süße Begeistrung / Einst mich lehrt’ im Knabengewande …«
    Aus der Reise war eine Wallfahrt geworden. Hillers Enthusiasmus hat sie sicher angetrieben. Sie erzählten sich gegenseitig die in der Kindheit gehörten, erlernten Geschichten.
    Ich frage mich, ob sie viel mit den Einheimischen sprachen, sich erkundigten, wie sie ihre Freiheit nutzten, wie diese Freiheit im Alltag aussähe. Ich fürchte, sie taten es nicht, übertrugen ihre Empfindungen auf alles und alle. Das Erlebte wurde erst in seinem Gedächtnis zu dem, was er sich wünschte. In der hymnischen Anrede wird die Wirklichkeit zum Ideal. Kein Schweiß. Keine Angst. Kein durchgelaufener Schuh. Keine Mitteilung über Streit zwischen den Freunden. Nichts von schlechten Unterkünften, betrügerischen Wirten und anderen unangenehmen Reiseerlebnissen.
    Hölderlin freute sich, auf der Heimreise die »junge Donau« wiederzusehen. In Tübingen machte er nur kurz halt, wanderte nach Nürtingen weiter.
    Die Mutter war glücklich, ihn »heil« umarmen zu können. In der Schweiz hätte mir nichts zustoßen können.
    Überall gibt es Bösewichter, auch in der Schweiz.
    Er erzählte, Karl und Rike hörten ihm zu, ihn mit Ausrufen des Staunens unterbrechend.
    So hohe Berge gibt’s?
    Das ist nicht wahr.
    Die ich gesehen habe, sind noch lange nicht die höchsten. Für den Abend haben sich Köstlin und Klemm angesagt, selbst Großmutter Heyn hat beschlossen, »ein Stündle« über ihre Zeit wach zu bleiben, und Johanna holte eine der bessren Flaschen aus dem Gokschen Keller.
    Der kommt scho rum, der Bub, sagt die Großmutter.
    Für Köstlin bleibt er der zwölfjährige Lateinschüler von einst. Kaum sitzen sie rund um den Tisch in der guten Stube, fragt er »den Fritz« aus.
    Jetzt erzähl vom Lavater.
    Dieser Name ist auch Johanna bekannt. Sie ist stolz darauf, daß ihr Fritz von dem großen Mann empfangen worden ist. Er war – als er ansetzt zu reden, merkt er, daß es nichts zu erzählen gibt, daß er eine seltsam eingeschüchterte Stimmung wiedergeben müßte – er war … er könne es nicht sagen. Ja, Lavater sei eine wunderbare Erscheinung, er werde ihn nicht vergessen. Unterhalten habe man sich kaum. Nach Köstlin, auch nach Klemm habe er gefragt, sich herzlich über sie geäußert.
    Wie?
    Das wisse er nicht mehr. Wie er überhaupt nichts mehr wisse von dem, worüber sie gesprochen hätten. Lavater werde ständig besucht und begafft von Fremden und habe wenig Lust, aus sich herauszugehen.
    Dann jedoch berichtete er von der Wanderung an den Vierwaldstätter See. Er redete sich so ins Feuer, trank dazu eine Menge, daß er am Ende ernsthaft berauscht war, und Karl, der so lang hat dabei sein dürfen, den älteren Bruder auf die Kammer führen mußte.
    Du bisch scho e Dichter, Fritz, sagte er, als er ihm eine gute Nacht wünschte.
    I woiß.

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    V
    Die Revolution
    Die Szene erregt sich, andre treten auf, denen er zuvor wenig Beachtung geschenkt hatte, deren Gedanken ihm unausgegoren erschienen waren, nun überzeugten sie ihn mit ihrem Mut, ihrer kalkulierten Unbotmäßigkeit. Die Ideen der »Franken« griffen um sich. Die Revolution erreichte das Stift. Die Kolporteure kamen von außen, es waren einige Stipendiaten aus Mömpelgard, das noch, bis Napoleon es zurückholte, eine württembergische Exklave war, Montbéliard, ein Stück herzoglichen Landes, und die Brävsten von dort durften auch die Hohen Schulen des guten Herrn besuchen. So brav waren sie nicht mehr.
    Es fragt sich, wohin die Stipendiaten hofften, für wen sie handelten. Auf den Schulen hatten sie Unfreiheit in vielfältigen Spielarten erfahren, sich mitunter zu wehren versucht. Der Druck, dem sie sich unterwarfen, wurde durchaus subtil gehandhabt, die Lehrer verstanden ihr Geschäft. Die Aufgeweckteren unter ihnen – denn nicht wenige kuschten, paßten sich an, ließen sich willig verkrüppeln für ein späteres dienendes Leben – die Aufgeweckteren bewunderten Männer wie Schubart oder Schiller, Idole, die spektakulär rebelliert hatten. Und allmählich gerieten sie, denen auf den Seminaren jegliche »falsche« Lektüre untersagt war, unter den Einfluß der Aufklärer, der Grübler, der Weltverbesserer. Sie begannen zu denken. Sie taten es mit Rousseau, Voltaire, Kant, Spinoza, Leibniz. Schillers »In Tyrannos«, Schubarts

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