Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
Vom Netzwerk:
um Emma zu bekommen und den Alltag zu meistern. Weinte über alles, was nicht so gekommen war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Weinte über den Unterschied zwischen überleben und leben, und das war eine Erkenntnis, die richtig wehtat.
    Die Rezension betonte den Aspekt des Ausgeliefertseins in der Kindheit, der Mutlosigkeit, die von der Machtlosigkeit herrührt, und der Tätermänner, die es im Leben der meisten Frauen gibt. Diese Themen tauchten in allen Büchern von Oates auf, und deshalb mochte Annika sie so sehr.
    Gunnar Alm war zufrieden und bat sie sofort, eine Aufführung des Landestheaters zu rezensieren, die in der darauffolgenden Woche Premiere hatte. Und dieses Mal sagte Annika ohne zu zögern ja. Beim Schreiben war etwas zutage getreten, das alte und zugleich neue Gefühl, dass alles möglich war. Dass sie die Welt beschrieb und nicht umgekehrt.
    Sie strich eine dicke Schicht Butter und Aprikosenmarmelade auf das getoastete Brot und aß es mit gierigen Bissen. Sie versuchte sich einzureden, dass die Tatsache, dass die Zeitung ihre Rezension der Inszenierung von Ibsens Ein Puppenhaus nicht gedruckt hatte, nichts mit der Qualität zu tun hatte.
    Sie überflog die Einleitungen zu Artikeln über die Haushaltspläne der Regierung und fluchte laut, als sie einen Beitrag über PAS sah, die Eltern-Kind-Entfremdung, geschrieben von Steven Librinski.
    Sie hatte sich schon gefragt, was eigentlich seine persönlichen Motive waren, er schien von dem Thema besessen zu sein. Er war eigentlich Kriminalreporter, aber seit ein paar Jahren war Annika aufgefallen, dass er fast ausnahmslos über Sorgerechtsfälle berichtete, bei denen es auch um Übergriffe ging. Seine persönliche Agenda war klar, er bezog in jedem seiner Artikel Stellung für den angeklagten Vater. Lange Interviews, in denen sich die Väter über ihre schrecklichen Exfrauen auslassen durften, die nicht vor Lügen zurückschreckten, um einen Sorgerechtsprozess zu gewinnen.
    »Verdammter Idiot!«
    Sie streckte sich nach den Zigaretten und zündete eine an.
    Es gab nicht viel, was sie so provozierte wie solche Machtmänner, die ungestört die Deutungshoheit besaßen, obwohl ihre Geschichten auf unwissenschaftlichen Lügen fußten. Sie zeichneten ein total schiefes Bild, und die Zeitungen berichteten brav von all den armen Männern, deren Exfrauen verhinderten, dass sie nach der Scheidung ihre Kinder sahen.
    Annika seufzte tief und drückte die Zigarette aus. Eine Möwe klagte direkt vor dem Fenster. Sie schauderte, der fast menschliche Laut erinnerte sie allzu sehr an die unruhigen Träume der letzten Nacht.
    Ein Klagelaut, der Lachen oder Weinen sein konnte. Aber an diesem Morgen war Annika überzeugt, dass es ein verzweifeltes Weinen war.

Der Schokoladenpudding war Julias Idee. Sie hatte nicht schlafen können und nachgedacht, und am Morgen war sie ganz leise aufgestanden und hatte 50 Kronen aus Giselas Handtasche genommen, um den Einkauf zu finanzieren. Nach dem Erlebnis im Kiosk hatte sie keine Lust mehr zu klauen.
    Sie rührten den braunen Brei zusammen und füllten ihn in sechzehn durchsichtige Plastikbeutel, die sie in eine große Einkaufstasche legten. Damit machten sie sich auf den Weg.
    Die Hitze lag immer noch wie ein Deckel über der Stadt, und in den Nachrichten sprach man von Hitzewelle. Seit über zwei Wochen zeigte das Thermometer über fünfundzwanzig Grad.
    Kleine glänzende Schweißperlen bedeckten Julias Stirn wie eine schimmernde zweite Haut. Es war unausweichlich: Schon die kleinste Bewegung brachte das Kühlsystem in Gang.
    Sie wechselten sich beim Tragen der Einkaufstasche ab und blieben erst stehen, als sie an die Kreuzung kamen, die die Grenze zwischen der Welt und dem Nebel markierte. Ein ödes Niemandsland, in dem ständig ein unnormaler, grenzenloser Zustand herrschte, ob Hitzewelle oder nicht.
    Sie schauten einander an, schweigend und von einem feierlichen Ernst erfüllt. Julia hatte den Blick auf den Wald jenseits der Straße gerichtet. Entschlossen und angespannt ging sie los, und Emma folgte ihr schnell.
    Ein paar Minuten später waren sie im Wald. Hinter einem großen Wildrosenbusch, der hier Wurzeln geschlagen hatte und zwischen Blaubeeren und Tannen weiterwuchs, setzten sie sich hin.
    »So«, sagte Julia und schaute Emma mit ihren blauen Augen an. »Jetzt heißt es nur noch warten.«
    Sie nahm einen Plastikbeutel aus der Einkaufstasche und drehte ihn wild in der Luft, sie wandte ihr Gesicht zum Himmel, der über den

Weitere Kostenlose Bücher