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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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das Repertoire anschaute, dann inszenierten sie mindestens zwei Mal im Jahr ein Strindbergstück, sagte Gunnar zu Annikas Überraschung. Sie nickte zustimmend.
    »Soll man seinen Frauenhass wörtlich nehmen, oder stellt er in der heutigen Gesellschaft eine Art Kritik am Patriarchat dar? Trifft sein Hass ihn selbst, weil er ihn entlarvt? Ich weiß immer noch nicht, welche Haltung ich habe.«
    Gunnar schaute sie mit einem unergründbaren Lächeln an, das Annika sofort in Verteidigungshaltung gehen ließ. Männer mittleren Alters mit Macht und sozialem Status waren nur selten sympathisch oder radikal, aber er überraschte sie ein weiteres Mal, indem er antwortete, dass er ganz sicher sei, Strindbergs Popularität habe mit seinem Frauenhass zu tun.
    »Es gibt so viele Männer, die Frauen hassen, und durch Strindberg bekommen sie eine Art perverse Möglichkeit, ihren Hass herauszuspucken, ganz legitim und sogar von der großen Bühne.«
    Annika lachte, solche Gedanken äußerte sie nur vor den besten Freunden.
    »Du musst eine starke Frau haben. Oder eine starke Mutter.«
    »Sowohl als auch, meine Frau steht da drüben. Helena! Komm mal her!«
    Eine schöne Frau um die fünfzig mit kurzen dunklen Haaren kam heran, und dann ging die Diskussion über Männer, die Frauen hassen, den ganzen Abend weiter.
    Sehr spät, als die meisten Gäste schon gegangen waren, hatte Gunnar sie gefragt, ob sie nie daran gedacht habe, noch einmal zu studieren. Er konnte schließlich nicht wissen, dass ihr abgebrochenes Studium und die Träume, die damit verbunden waren, ein wunder Punkt in ihrem Leben waren. Sie hatte zwar ihr Studium wegen Emmas Geburt abbrechen müssen, aber eigentlich hinderte sie nichts, es jetzt, dreizehn Jahre später, wieder aufzunehmen. Dass Annika immer noch im Seniorenzentrum Lunden arbeitete, war vielleicht von außen verständlich, aber sie selbst machte sich Vorwürfe. In ihren Augen lag darin ein unverzeihbarer Mangel an Ehrgeiz.
    »Könntest du dir vorstellen, etwas für die Zeitung zu schreiben? Ich denke vor allem an Rezensionen, das brauchen keine langen Texte zu sein.«
    »Machst du Scherze? Ich weiß doch gar nicht, wie man eine Rezension schreibt!«
    »Das ist nichts Besonderes. Ich finde, eine Rezension sollte die Gedanken des Kritikers widerspiegeln. Im Prinzip brauchst du nur zu schreiben, was du denkst. Und nach den Diskussionen von heute Abend zu schließen, bist du ein denkender Mensch. Ich bin sicher, dass du es ganz ausgezeichnet hinbekommst!«
    Ausnahmsweise einmal war Annika sprachlos.
    »Du kannst es ja einfach ausprobieren, wenn es dir keinen Spaß macht, dann hörst du wieder auf.«
    Am nächsten Morgen, als sie wie jetzt mit schwerem Kopf am Küchentisch saß und zu frühstücken versuchte, redete sie sich ein, dass Gunnar es natürlich nicht ernst gemeint hatte. Dass man durch viel Rotwein großzügig werden konnte, das wusste schließlich jeder. Aber als sie sich im Flurspiegel anschaute, sah sie, dass ihre Wangen vor Aufregung glühten.
    Und Gunnar Alm hatte es offenbar ernst gemeint, denn drei Tage später kam ein dickes Paket mit Marya – ein Leben von Joyce Carol Oates und einem handgeschriebenen Zettel:
    Liebe Annika! Es war sehr schön, dich kennenzulernen. Du hast auf mich und Helena einen tollen Eindruck gemacht. Ich wäre sehr froh, wenn du dieses Buch lesen und mir sagen könntest, wie du es findest. Wir bezahlen 500,00 Kronen für 2000 Zeichen. Herzliche Grüße Gunnar Alm.
    Zitternd öffnete sie das Buch und begann zu lesen. Sie liebte Joyce Carol Oates, es war ihre Lieblingsschriftstellerin, und schon am gleichen Abend hatte sie das Buch ausgelesen.
    Ihre alte Schreibmaschine stand weit hinten im Schrank, hinter Kartons mit mottenzerfressenen Winterkleidern und Babysachen. Vorsichtig holte sie die Maschine heraus und stellte sie auf den Schreibtisch. Es war mehr als dreizehn Jahre her, dass sie da gestanden hatte. Sie hatte sie weggeräumt, als sie schwanger wurde, sie wollte nicht daran erinnert werden, was sich alles verändern würde, was nicht mehr möglich war.
    Den ganzen Abend kam Geklapper aus dem Schlafzimmer. Sie war konzentriert, die Finger flogen über die Tasten, schlugen fest und eifrig zu, als könnten sie nicht glauben, dass die schwarze Farbe halten würde.
    Hinterher weinte sie leise, spät in der Nacht, als sie viel zu aufgeregt war, um schlafen zu können. Die Tränen flossen, weil sie sich plötzlich einzugestehen traute, welche Träume sie begraben hatte,

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