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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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Sie begrub das Gesicht in den Händen, versuchte, so leise wie möglich zu weinen, dass ihr Körper sich vom Schluchzen nicht allzu sehr schüttelte.
    »Es nützt gar nichts, dass du heulst, du dumme Kuh!«
    Seine Stimme war eiskalt.
    Plötzlich stand Julia vor ihnen, betrachtete sie mit großen Augen. Sie war erst vier Jahre alt und wohl von Eriks Schreien geweckt worden, das man bis ins Nachbarhaus hören konnte.
    »Mama, Erik weint!«
    Gisela schaute auf und versuchte schnell, die Tränen abzuwischen.
    »Ich weiß, Liebes, ich glaube, er hat Hunger.«
    Sie stolperte bei den ersten Schritten, als würde sie nicht darauf vertrauen, dass er sie gehen ließ. Er konnte sie jederzeit wieder packen und herunterziehen. Aber das Spiel war offenbar für dieses Mal vorbei, auf wackeligen Beinen lief sie zu Erik und hob den kleinen verkrampften Körper aus dem Bettchen. Sie zitterte, als sie ihn im Arm hielt und ihn flüsternd trösten wollte.
    »Mein Schatz, jetzt ist alles gut!«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis er zu weinen aufhörte. Als er sich schließlich beruhigte, zitterte sein ganzer Körper.
    Als er endlich die Brust nahm und sich stillen ließ, war sie so erleichtert, dass schon wieder Tränen flossen. Die Brüste schmerzten und pochten, und das Gefühl, als die Spannung nachließ, war wunderbar.
    Die Erinnerungen ließen sie tief seufzen, sie schüttelte sich und kam langsam wieder in die Gegenwart zurück. Die Waschmaschine zitterte und brummte, und sie sah, wie sich hinter der Scheibe das geblümte Kleid drehte und von Apfelbrei und brennenden Erinnerungen sauber gewaschen wurde.
    Wie schon so oft war sie erstaunt, wie leicht es trotz allem war, das Hässliche und Schmutzige sauber zu waschen und zu vergessen. Wie leicht es war, sich auf das zu konzentrieren, was gut war. Das Haus, die Kinder, die Arbeit, Carl. Doch, sie konnte nicht umhin, Carl dankbar zu sein für alles, was er ihr bedeutet hatte. Ihre Liebe zu ihm war immer stark und voller Dankbarkeit gewesen. Dankbarkeit darüber, dass ein Mann wie er, gut aussehend, aus einer vornehmen, intakten Familie, mit einer vielversprechenden Zukunft in der Autofabrik, sie hatte haben wollen. Das Psychokind mit einer Selbstmordmutter und Pflegefamilie. Sie hätte niemals, nicht einmal in ihren wildesten Träumen zu hoffen gewagt, dass sie eine eigene Familie haben würde, mit einem Mann, der treu und ehrgeizig für sie und die Kinder arbeitete. Dass sie, aufgewachsen in einer engen, muffigen Wohnung, über eine Villa aus der Jahrhundertwende verfügen würde. Ein Haus voller schöner Möbel und Gegenstände, das sie einrichten durfte, wie sie wollte, genau wie das Puppenhaus, das ihre Klassenkameradin Josefine gehabt hatte.
    Josefine wohnte in einem Haus am Fluss. Sie gingen in die gleiche Klasse, aber es war doch so, als kämen sie aus verschiedenen Welten. Es war etwas ganz Besonderes, wenn sie Josefine zu Hause besuchen durfte, und das passierte auch nur, wenn Josefine niemand anderen zum Spielen hatte. In der Josefinewelt kam eine Haushälterin mit Käsebroten auf einem Silbertablett, das wurde in Josefines Zimmer serviert, zusammen mit heißer Schokolade aus einer Silberkanne.
    Josefine war so eine Frau, die Carl hätte heiraten sollen, das wäre erheblich natürlicher gewesen, als Gisela aus der Parfümerie Schmetterling herauszuholen. Es war unbegreiflich, dass er sich überhaupt für sie interessiert hatte.
    Gisela erhob sich vorsichtig vom Badezimmerboden. Der Schwindel und die Übelkeit waren vorbei, sie nahm einen Wattebausch und tränkte ihn mit kaltem Wasser. Sie betupfte die Stirn mit leichten Bewegungen, bis die Wangen wieder Farbe bekamen. Sie legte eine neue Schicht Puder und Rouge auf, zum Schluss den rosa glänzenden Lippenstift. Aus der Küche hörte sie, wie die Spülmaschine mit einem Brummen startete. Carl musste sie angestellt haben. Ihr wurde ganz warm zumute, er hatte seine Schattenseiten, aber er war trotz allem ihr geliebter Ehemann. Es gehörte zu einer Ehe, sich im Guten wie im Schlechten zu lieben, zu verzeihen. Das hatte sie im Angesicht des mürrischen Pfarrers feierlich gelobt. Außerdem wusste sie, unter welchem Druck Carl stand, weil er auf die Entscheidung des Aufsichtsrats bezüglich der Stelle als Geschäftsführer warten musste. Die zog sich hin, er war in letzter Zeit besonders reizbar und labil gewesen. Sie holte noch einmal tief Luft und ging langsam und beherrscht die Treppe hinunter, sie betrat die Küche und lächelte

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