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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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Carl an.
    »Schatz, ich wollte gerade Kaffee aufsetzen. Möchtest du auch eine Tasse?«
    Er schaute sie erstaunt an, dann drehte er sich um und nahm zwei Tassen aus dem Schrank.
    »Danke gern!«

Die Wände des Klassenzimmers waren cremefarben und leer bis auf eine Weltkarte, die vorne rechts neben dem Katheder hing. Es war wie geschaffen für sauerstoffarme Nachmittagsstunden. Ihr Klassenzimmer in der Mittelstufe war mit bunten Bildern und getrockneten Blättern und Blumen geschmückt gewesen. Rote Geranien hatten auf dem Fensterbrett gestanden, wenn man die Blätter anfasste, rochen sie nach Eisen. Hier gab es keine kindlichen Zeichnungen an den Wänden. Hier gab es nur Weiß, Braun, Grau, keine Farben. Emma betrachtete ihre alten Klassenkameraden, die sie den ganzen Sommer nicht gesehen hatte. Ein neuer Junge, er schien älter zu sein, saß neben Gustav, ansonsten waren es die altbekannten Gesichter, die schon die letzten sechs Jahre ihren Alltag begleitet hatten.
    Ganz hinten saßen Richard, Per und Ola, sie hatten die Köpfe in tiefer Konzentration über etwas auf dem Pult gebeugt.
    Viktoria lief umher und umarmte alle, dabei stieß sie kleine, begeisterte Schreie aus. Verstreute Komplimente über das Aussehen der Klassenkameraden und kleine, gemeine Bosheiten. Sie lobte Johannas enge Jeans, fügte dann aber hinzu, ihre Jeans hätte am Anfang auch so eingeschnitten, sie habe noch wochenlang blaue Flecke gehabt. Die große, plumpe Johanna mit den hängenden Schultern lachte unsicher, aber die Falte auf ihrer Stirn bewies, dass sie die Botschaft verstanden hatte. In ihrer ordentlichen Strickjacke und den Perlohrringen wirkte sie wie eine Tante, obwohl sie erst dreizehn war. Viktoria kam mit kleinen Trippelschritten auf Emmas und Julias Bank zu.
    »Julia! Ich finde es toll, dass du dich irgendwie überhaupt nicht um dein Aussehen scherst. So fransige Haare sind wirklich cool, fast schon punkig.«
    Sie berührte Julias Haare, die ihr über die Augen hingen und beinahe das ganze Gesicht bedeckten. Viktorias überschwängliche Doppelzüngigkeit rief eine Unsicherheit hervor, die sie allmählich kannten. Sie war nie direkt oder ausgesprochen gemein, aber sie schaffte es immer, dass man sich blöd oder komisch vorkam.
    Vicky erwartete keine Antwort, sondern wandte sich Emma zu.
    »Emma! Mein Gott, siehst du anders aus. Hast du endlich mit dem Schminken angefangen? Na, das ist ja was!«
    Sie beugte sich vor und flüsterte mit leiserer Stimme: »Deine Brüste sind gewachsen, nicht wahr?!«
    Emma musste an das denken, was Annika über die Oberstufe gesagt hatte. Dass man die Chance hatte, neu anzufangen. Dass die eingefahrenen Rollen aus der Unter- und Mittelstufe sich verändern konnten, weil neue Leute dazukamen. Die Oberstufe bedeutete, dass die scheinbar festgefügte Ordnung sich verändern konnte. Und dann kam Vicky schon am ersten Tag und stellte klar, dass sich nichts verändern würde.
    »Hör auf! Du kannst von mir aus jemand anderen ärgern, oder dich zu den Pudelrockern da hinten setzen.«
    Vicky schaute Emma erstaunt an, sie war es nicht gewohnt, abgewiesen zu werden.
    »Werd endlich erwachsen, Emma! Ich wollte nur nett sein!«
    »Werd du nicht größenwahnsinnig, du verstellst mir die Aussicht, und außerdem bist du nicht nett, sondern nur blöd.«
    Vicky verdrehte die Augen und seufzte hörbar, dann drehte sie sich um und ging zu ihren Freundinnen Monika und Cissi, die ganz hinten saßen. Alle drei hatten dauergewellte Mähnen und trugen exakt das gleiche Make-up, blauen Lidstrich und knallblaue Wimperntusche.
    Julia kniff Emma in den Arm und lächelte, Emma verzog das Gesicht und äffte Vickys hohe Stimme nach.
    »Oh Julia, wie wunderbar hässlich du mal wieder aussiehst. Es ist wirklich toll, wenn jemand sich traut, hässlich zu sein!«
    Julia lachte, dann öffnete sich die Tür, und eine Frau kam herein und stellte sich vor die Klasse.
    »Willkommen! Ich heiße Maj-Lis Carlsson und werde in den nächsten Jahren eure Klassenlehrerin sein.«
    Sie drehte sich um und schrieb ihren Namen mit Schnörkelschrift an die Tafel. Dann lächelte sie und fingerte nervös an den Blusenknöpfen. Die braunen Haare waren kurz geschnitten und lagen in ordentlichen Wellen um ihren kleinen, runden Kopf. Die Frisur und der lange, großgeblümte Rock ließen sie erheblich älter aussehen als fünfundvierzig Jahre.
    Maj-Lis nahm einen Stapel Stundenpläne und verteilte sie, dabei erzählte sie, wie die Woche ablaufen

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