Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
reagiert und darauf geachtet, dass er sich nicht allzu sehr blamierte, schließlich beobachtete seine Frau Ylva ihn mit Argusaugen. Aber dann hatten die Eltern den Kindern geholfen, eine Disco zu veranstalten.
An diesem Abend hatte sie heimlich mit Jan in einem Klassenzimmer Sex gehabt und ihn danach einige Monate lang ein, zwei Mal pro Woche getroffen. Zu jener Zeit machte sie ziemlich viele Spätschichten, und offenbar hatte Jan das herausgefunden. Eines Abends, als sie von ihrer Schicht kam, wartete Jan auf sie. Kattis war als Babysitter bei Emma, Annika rief also zu Hause an und sagte, sie käme später. Dann nahm sie Jan mit ins Personalzimmer, wo es ein Notbett zum Übernachten gab. Sie wusste, dass die Nachtschicht bis elf Uhr beschäftigt war, dann hatten sie eine kurze Pause. Auch dieses Mal liebte er mit einem Hunger, als hätte er jahrelang keinen Sex gehabt – was stimmte, wie sich später herausstellte. Jan war ein wunderbarer Liebhaber, aber sonst hatten sie nicht viele Gemeinsamkeiten. Er wollte hauptsächlich über seine langweilige Ehe mit Ylva reden. Sie schlug ihm vor, mit Ylva in eine Paartherapie zu gehen, um ihren Problemen auf den Grund zu gehen, aber das hatte Jan heftig abgewehrt. Er meinte, Ylvas Kälte sei der Grund ihrer Probleme.
»Du glaubst also nicht, dass ihr Mangel an Wärme etwas mit deinem Verhalten zu tun hat?«, fragte Annika.
Vielleicht war es Jans Weigerung, selbst Verantwortung für seine langweilige Ehe mit Ylva zu übernehmen, die Annika plötzlich störte. Eines Abends sagte sie, sie wolle ihn nicht mehr treffen. Er schaute sie erstaunt an.
»Aber …«, hatte er gestammelt, »du hast doch keinen anderen …?«
Annika seufzte tief. Oh je, diese eingebildeten Männer, die sich benahmen, als wären sie von Gott gesandt.
»Ja, es gibt mehrere andere, und ich finde, du solltest jetzt nach Hause fahren und versuchen, Ordnung in deine Ehe zu bringen. Oder dich scheiden lassen. Aber ich möchte dir auf jeden Fall für das, was wir hatten, danken.« Sie streckte die Hand aus, und als er nicht reagierte, nahm sie seine und schüttelte sie.
»Vielen Dank Jan! Und tschüss!«
Das war im Frühjahr gewesen, und seither hatte sie den ganzen Sommer über nichts von Jan gehört. Bis jetzt.
Annika atmete die kühle Luft ein. Ja, es war nun wirklich Herbst. Keine Spätsommertage mehr. Der Oktober war gekommen.
Emma hörte, wie die Tür hinter ihr zuschlug, sie wickelte den Schal um den Hals und trat auf den Gehweg. Sie überquerte die Kreuzung, Autofahrer hupten sich aufgeregt und aggressiv an. Auf der anderen Seite war der Fußweg, der dem kleinen See folgte, dann waren noch zehn Minuten zu gehen und sie war in der Schule. Um diese Zeit war der Fußweg nicht belebt, bis auf ein paar wenige Radfahrer war Emma meistens allein.
Plötzlich spürte sie, dass sie weinte.
Sie lief so schnell sie konnte, lief, ohne stehen zu bleiben, bis sie den Schulhof erreichte und sich auf die Bank fallen ließ, auf der sie immer auf Julia wartete. Sie atmete angestrengt, weil sie so schnell gelaufen war, sie sah, dass einige Mitschüler sie anschauten. Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und hoffte, dass man ihr die Anstrengung nicht ansah.
Es war schon fast halb neun, Gemeinschaftkunde begann in genau drei Minuten, aber wie sehr sie auch schaute, Julia war nicht zu sehen. Sie fehlte nun schon den dritten Tag. Fieber, hatte Gisela gesagt, als sie anrief, um zu fragen, wie es ihr ging. Sie durfte nicht mit Julia sprechen, wahrscheinlich müsse sie noch ein paar Tage zu Hause bleiben. Giselas Stimme war dünn und brüchig, als bekäme sie keine Luft. Wenn sie wütend oder ärgerlich war, wurde ihre Stimme schrill, angespannt und vorwurfsvoll. Jetzt war noch etwas darin, ein Hauch von Triumph, kaum spürbar, aber Emma nahm ihn dennoch wahr.
»Julia geht es sehr schlecht, sie muss sich gründlich ausruhen. Niemand darf sie jetzt stören.«
Emma konnte sie vor sich sehen, am anderen Ende der Leitung, in der großen Diele, die Gisela lieber Entré nannte. Vielleicht schaute sie sich im Spiegel an, während sie mit Emma sprach, betrachtete sich in dem großen Ganzkörperspiegel mit goldenem Rahmen, der an der Wand hing.
Emma schüttelte das Unbehagen ab und ging ins Klassenzimmer, wo aufgeregte Gespräche über die Bänke hinweg stattfanden. Plötzlich spürte sie eine Hand auf dem Arm, und als sie aufschaute, sah sie in Cesars Augen.
»Wenn Julia heute auch nicht kommt, willst du dann neben
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