Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
mit angestrengter Autorität an.
»Dann lest bitte die Seiten 147–159 und beantwortet die Fragen ganz unten auf der Seite. Eure Antworten will ich bis Mittwoch haben.«
Vicky zeigte erneut auf.
»Müssen wir zum Arbeiten im Klassenzimmer bleiben, oder können wir hingehen, wo wir wollen?«
»Ihr könnt euch hinsetzen, wo ihr wollt, solange ich eure Papiere am Mittwoch bekomme.«
Gunnar war froh, dass er eine Entscheidung getroffen hatte, er nahm sein Buch und seine hellbraune Aktentasche und verließ das Klassenzimmer. Als er außer Sichtweite war, begannen Stefan, Danne und Sven zu jubeln, die übrige Klasse stimmte ein.
Cesar lächelte Emma an.
»Wollen wir uns in die Bibliothek setzen?«
Sie nickte und nahm ihre Tasche und Bücher unter den Arm.
Ganz hinten bei den Regalen mit den Tierbüchern gab es einen kleinen Tisch und zwei Stühle. Sie setzten sich einander gegenüber. Emma konnte gar nicht aufhören, sich zu wundern, wie gerne sie ihn die ganze Zeit anfassen wollte. Seine Berührung, wenn er ihr leicht über die Hand streichelte, rief Wellen des Wohlbehagens in ihr hervor. Oder wie jetzt, als er sich vorbeugte und ihr Ohrläppchen küsste, es waren ständig neue Gefühle, die nach mehr schmeckten.
»Das ist total krank! Ich könnte hundert Jahre hier sitzen und ganz zufrieden sein!«
Cesar lachte und küsste ihr Kinn.
»Wir würden verhungern!«
»Nein, Ingrid, die Bibliothekstante, würde sich bestimmt erbarmen und uns hin und wieder ein Brot bringen.«
»Ich möchte dir einen Knutschfleck machen!«
Er schaute sie ernsthaft an.
»Lehn dich zurück!«
Sie tat, was er sagte, entblößte ihren Hals für Cesars Mund, er nahm ein Stück Haut und saugte mehrere Sekunden lang ganz fest daran.
Es kitzelte und tat ein bisschen weh. Emma musste kichern, obwohl sie hörte, dass es blöd klang. Wie wenn die Jungs der sechsten Klasse die Mädchen in der Pause mit Schnee einseiften und Vicky und ihre Freundinnen mit gespielter Angst wie am Spieß schrien, obwohl alle wussten, dass es eine Ehre war und ein Zeichen für einen hohen Status. Sie und Julia hatten dieses falsche Als-ob-Geschrei immer verachtet, und jetzt klang ihr gekünstelter kleiner Protest genau wie beim erstrebenswerten Eingeseiftwerden. Cesar ließ Emma los, und sie fühlte mit der Hand den feuchten Fleck an ihrem Hals.
»Mein Gott, was ist das denn?«
»Ha, jetzt hast du einen riesigen Knutschfleck, und alle können sehen, was ich gemacht habe!«
»Dann will ich jetzt auch deinen Hals!«
Cesar hielt ihr den Hals hin und schloss die Augen. Sie saugte an einem Stück Haut, aber Cesar hielt ganz still und versuchte nicht, sich wegzudrehen. Er schloss die Augen und stöhnte ein wenig. Es machte sie nur noch erregter. Zu wissen, was sie hervorgerufen hatte. Sie hätte noch stundenlang so weitermachen können, wenn sie nicht von Ingrid unterbrochen worden wären, die plötzlich hinter ihnen stand.
»Was macht ihr denn da!«
Ingrid hatte rote Flecken im Gesicht, ihr Mund zitterte, als sie leise zischte:
»Das ist eine Bibliothek! Habt ihr verstanden? Ich möchte, dass ihr auf der Stelle verschwindet und erst wiederkommt, wenn ihr gelernt habt, euch zu benehmen!«
Sie zeigte mit der ganzen Hand auf die Tür, sie nahmen ihre Sachen und gingen zum Ausgang.
»Entschuldigung!«, murmelte Emma, als sie an Ingrid vorbeiging. Aber Ingrid schnaubte nur.
Emma schämte sich, weil jemand ihre Erregung gesehen hatte, aber als sie draußen waren, sah sie, wie Cesars breites Lächeln sich in ein lautes Lachen verwandelte.
»Hör auf! Das war so peinlich!«
»Ja, aber du hättest ihr Gesicht sehen sollen! Unbezahlbar!«
Und jetzt musste sie auch lachen.
Die Toilette lag mitten in der großen Eingangshalle. Die Wände waren rosa gestrichen und mit hingekritzelten Botschaften verziert, in denen es darum ging, wer jemandem für fünf Kronen einen blasen oder mit jemandem vögeln wollte, und dass Anton in Jessica aus der 9C verliebt war. Hier drinnen roch es nach Abfluss und Schimmel, dieser Geruch verschwand nie ganz, egal wie oft gestrichen und renoviert wurde. Da gab es ein ständig leckendes Rohr, am Boden sammelte sich eine braungelbe, feuchte Schmiere. Emma wollte gar nicht so genau wissen, was da heraustropfte und stank.
Sie stellten sich nebeneinander und starrten im Spiegel ihre Hälse an. Die dunkelroten Knutschflecke leuchteten ihnen entgegen. Emma strich mit dem Finger über ihren.
»Wart erst mal, wie es heute Abend aussieht, das
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