Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
wird lila wie ein Bluterguss.« Cesar drehte sich zu ihr. »Du weißt doch, dass man das Liebesbiss nennt? Es ist ein Zeichen dafür, wie sehr ich dich mag. Ich würde am liebsten deinen ganzen Hals mit Liebesbissen bedecken!«
Sie stellte sich auf die Zehen, um an Cesars Mund heranzureichen, aber er musste sich doch herabbeugen, damit sie sich küssen konnten.
Viel später am gleichen Abend, als sie auf dem Bett in Emmas Zimmer lagen, küssten sie einander den Hals voller Knutschflecke. Liebesbisse. Es sah unmöglich aus. Lasterhaft und richtig hässlich. Und doch sprengte der Stolz beinahe ihren kleinen Körper. Diese sichtbaren Beweise, dass die Liebe wundervoll war und schmerzhaft zugleich.
Als Julia den neunten Tag in der Schule fehlte, hielt Emma es nicht mehr aus. Cesar schaute sie ruhig an, als sie ihm erklärte, dass sie sich am Nachmittag nicht treffen konnten, weil sie nachschauen musste, ob es Julia überhaupt noch gab. Es war als Scherz gedacht, aber tief drinnen war Emma sich nicht sicher.
Er strich die Haare, die ihm über das halbe Gesicht hingen, zur Seite und nickte.
»Das verstehe ich gut. Kein Problem!«
Wenn sie ganz ehrlich war, dann war es ihr nicht schwergefallen, nicht an Julia zu denken, jetzt, wo all das Wunderbare mit Cesar passiert war. Wenn Cesar nicht Einzug in ihr Leben gehalten hätte, dann hätte sie wahrscheinlich schon vor einigen Tagen bei Julia zu Hause geklingelt. Andererseits hatte Julia auch nichts von sich hören lassen, und auch wenn sie sehr hohes Fieber hatte, so hätte sie doch wenigstens an einem der fieberfreien Tage anrufen können.
Emma kaufte eine Tüte salzige Lakritz, die Julia sehr mochte, und ging zu ihrem Haus. Vor der Tür blieb sie stehen, war plötzlich ganz unsicher. Es war dunkel im Haus, und eine Ahnung, dass etwas nicht in Ordnung war, packte sie mit überwältigender Kraft. Als sie es schließlich über sich brachte, zu klingen, zitterte ihre Hand.
Gisela öffnete.
»So, du bist es?«
»Ich wollte nur … ich wollte nur sehen … also, ob ich Julia vielleicht kurz besuchen kann?«
»Ja, sie ist zwar fieberfrei, aber immer noch sehr schwach. Der Doktor hat gesagt, dass sie diese Woche nicht in die Schule gehen darf. Ich weiß wirklich nicht, ob es passt. Warte hier unten, ich werde nach oben gehen und sehen, ob sie wach ist.«
Sie drehte sich um und wollte zur Treppe gehen, blieb jedoch auf der ersten Stufe stehen. Oben stand Julia im Nachthemd, sie lief sofort die Treppe herunter, als sie Emma sah.
»Emma! Du bist gekommen!«
Als Emma ihre Anstrengungen und ihre Freude sah, begann ihr Herz zu schlagen, und sie lief die Treppe hinauf und umarmte Julia fest. Ihr magerer Körper im Nachthemd, ein leichter Geruch nach altem Schweiß, und als sie Julias Gesicht sah, musste sie sich zusammennehmen, damit sie nicht weinte. Die kränkliche Blässe und die dunklen Ringe unter ihren leblosen Augen. Die ungewaschenen, strähnigen Haare.
»Wie siehst du denn aus!«
Julia lachte leise.
»Nicht besonders!«
Hinter sich hörten sie Giselas Stimme, die versuchte, Aufmerksamkeit zu bekommen.
»Ja, du kannst sie also besuchen. Aber nur kurz, ich glaube, Julia ist noch sehr schwach!«
Emma nickte höflich, Julia zog sie in ihr Zimmer. Sie setzten sich auf das Bett und krochen unter die Decke, so nahe nebeneinander, dass die Nasenspitzen sich berührten. Emma schaute ihre Freundin an – so hatte sie sie noch nie gesehen. Die Lust zu lachen war plötzlich verschwunden, und sie schauten sich ernsthaft an.
»Was ist denn passiert?«
Julias Augen füllten sich mit Tränen, ihre Stimme war kaum zu hören.
»Ich weiß nicht genau, ich bin krank geworden. Ich habe so hohes Fieber bekommen, das nicht weggehen wollte.«
»Du siehst aus, als hättest du sieben schwere Jahre hinter dir.«
Sie streichelte Julia über die Wange, die Tränen flossen nur so herab.
»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Alles geht durcheinander, Albträume und Wirklichkeit. Ich habe kaum schlafen können.«
Sie schniefte und schluckte, die Worte wurden undeutlich, Emma musste sich anstrengen, damit sie hörte, was sie sagte. Das Weinen verwirrte sie, natürlich war es schlimm, Fieber zu haben und krank zu sein, aber in Julias Weinen war eine Verzweiflung, die nichts mit dem Fieber zu tun hatte.
»Aber du, es geht dir doch schon besser! Du kannst bestimmt schon am Montag wieder in die Schule kommen!«
Das klang unsensibel und dumm, wie höflicher, erwachsener Smalltalk, den
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