Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
nichts anderes war es, erkannte sie nun und schämte sich noch mehr) hatte sie immer geglaubt, man könne selbstverständlich mit einem Mann nach Hause gehen oder einen Mann mitnehmen, wenn man Sex haben wollte, und dann plötzlich doch nicht mehr wollen. Warum sollte man sich schämen, weil jemand einen schlecht behandelt hatte? Das war doch wohl kein Problem. Hatte sie geglaubt.
Sie hatte immer noch die Flasche Badeöl in der Hand und erkannte plötzlich, wie schrecklich sie sich schämte, dass sie sich überhaupt mit so einem Idioten wie Jan Lundgård eingelassen hatte. Sie bekam heiße Wangen, als sie sich daran erinnerte, wie verdammt geil er sie gemacht hatte. Zu welchen Orgasmen er sie gebracht hatte. Es war ihr Fehler, dass sie Jan Lundgård so total falsch eingeschätzt hatte.
Sie ging in die Küche und schenkte sich ein Glas Rotwein ein und nahm es mit zur Badewanne. Sie stöhnte, als ihr Körper ins heiße Wasser glitt. Sie legte den Kopf auf den Badewannenrand und schloss die Augen. Allmählich entspannte sie sich, das Gefühl von Fremdheit verschwand. Ein paar Schlucke Wein beförderten das Wohlbehagen. Und doch wurde sie das nagende Gefühl nicht los, dass etwas außerhalb ihrer Kontrolle in ihr Leben einbrach und alles zerstörte, was sich ihm in den Weg stellte.
Emma schaute auf den Wecker, es war halb sechs. Er würde erst in eineinhalb Stunden klingeln, aber es hatte keinen Sinn, liegen zu bleiben. Sie wusste, dass sie nicht wieder einschlafen würde. In den letzten fünf Tagen war sie immer zu früh aufgewacht. Sie vermutete, es hatte etwas mit Cesars grünen Nägeln, seinen braunen Augen und seinen streichelnden Händen zu tun. Seine Erscheinung brachte ihr Blut zum Tanzen. Jeden Tag hatte er bei den Fahrrädern auf sie gewartet, sie war ihm auf wackeligen Beinen entgegengegangen, direkt in seine Arme.
Mit sicherer Selbstverständlichkeit hatte er ihre Hand genommen und war zusammen mit ihr in die aufgeregt flüsternde Klasse gegangen. Emma hatte sich nicht darum geschert, nichts außer Cesar kam an sie heran. Nicht einmal Vickys offensichtliche Missgunst hatte sie erfreut. Ihre spitzen Kommentare, wie immer in Freundlichkeit verpackt.
»Mein Gott, Emma, ist das spannend mit dir und Cesar! Wer hätte das gedacht! Du bist irgendwie die Letzte, der man einen Freund zugetraut hätte!«
Emma hatte sie nur strahlend angelächelt und ehrliche Gleichgültigkeit verspürt.
Vor dem Fenster dämmerte es, sie setzte sich im Bett auf und schaute in die Welt hinaus, sie musste einfach den Himmel anlächeln und die Baumspitzen, die rot und gelb brannten. Das Einzige, was das Glück ein wenig trübte, war Julia, die seit vielen Tagen krank war.
Sie zog die Jeans und das T-Shirt an, das über dem Stuhl lag, und schaute im Vorbeigehen durch Annikas offene Tür. Annika schlief mit einem heimlichen Lächeln auf den Lippen. Sie ging in die Küche und stellte Teller, Sauermilch und Cornflakes auf den Tisch. Sie hatte jeden Tag bei Julia angerufen und gefragt, wie es ihr ging. Aber sie hatte nur mit Gisela sprechen können, die kurz angebunden sagte, Julia habe hohes Fieber und schliefe. So viele Tage waren sie noch nie getrennt gewesen. Und wieder hatte sie das Gefühl, dass die Welt, so wie sie ihr vertraut war, sich verändert hatte, für immer, ohne dass sie richtig wusste, wie und wann das passiert war.
Auf dem Schulhof sah sie Cesar schon von Weitem, er hielt nach ihr Ausschau. Nach ihr . Sie lief die letzten Meter, blieb vor ihm stehen und ließ zu, dass er sie in seine Arme zog. Er nahm ihren Kopf in seine Hände und schaute ihr tief in die Augen.
»Hallo!«
»Hallo!«
Sie nahmen sich an der Hand und gingen ins Klassenzimmer. Kurz darauf kam Gunnar plötzlich durch die Tür getorkelt.
»Ruhe jetzt, setzt euch sofort auf eure Plätze.«
Leise murmelnd gingen alle zu ihren Bänken. Gunnar ging ganz nach hinten, dort fummelte er mit dem Filmprojektor herum, dann stolperte er nach vorne zum Pult.
»So. Heute schauen wir uns zuerst einen Film über das Reinigungssystem von Nässjö an.«
Ein aufgeregtes Gemurmel kam auf. Vicky zeigte als Erste auf.
»Entschuldigung, aber den haben wir schon gesehen. Letzte Woche.«
Gunnar schaute sie erstaunt an, er wirkte verletzt, als immer mehr Schüler zustimmten.
»Aha. Ja, dann … dann weiß ich auch nicht, was wir heute machen sollen.«
Er blätterte planlos im Lehrbuch, zögerte ein paar Sekunden, richtete sich dann wieder auf und schaute die Schüler
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