Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
Gewalt über ihn kam.
»Lein verdammt noch mal deinen Köter an!«
Er schrie wie von Sinnen. Die Frau schaute ihn entsetzt an und leinte den Hund mit nervösen Bewegungen an. Das machte ihn noch wütender.
»Blöde Kuh!«
Er brüllte und trat drohend auf die Frau zu.
Der Hund bellte immer noch, die Frau kämpfte mit der Hundeleine. Schließlich gelang es ihr, sie zu befestigen, und sie zog den Hund zu sich. Aber Hyland wollte in die andere Richtung, zu Carl. Die Leine spannte sich, dann war der Machtkampf entschieden und die Frau siegte mit großer Mühe über den Pudel. Sie entfernte sich schnell von dem schreienden Carl, zog den bellenden Hund hinter sich her.
»Du Hure! Hast du gehört? Du verdammte Scheißhure!«
Er hörte selbst, wie absurd das klang, konnte jedoch die Worte, die aus ihm herauskamen, nicht stoppen. Das war nicht seine Stimme, obwohl er natürlich wusste, dass sie es war.
Es waren auch seine Worte.
Er sah sein Haus. Die hübsche gelbe Villa aus der Zeit der Jahrhundertwende. Helle, einladende Fenster. Ein richtiges Zuhause, eine richtige Familie. Alles war, wie es sein sollte. Er hatte in letzter Zeit sehr viel arbeiten müssen, aber das war immer so im Dezember. Eigentlich nichts Besonderes. Er freute sich auf die Weihnachtsferien.
Als er zum Haus kam, ging er direkt zur Sauna und drehte die Heizung an. Es dauerte ungefähr zwanzig Minuten, bis es richtig warm war.
Er sah, dass es schon neun Uhr war. Da konnte Julia nicht mehr behaupten, dass sie Hausaufgaben machen musste, damit war sie um diese Zeit fertig. Das hatten sie so verabredet.
Wenn man tief Luft holte, konnte man den Geruch von Adrenalin und Erwartung auf dem Schulhof spüren. Dieser Geruch mischte sich mit billigem, süßem Parfüm und durchdringendem Schweiß. Auf dem Asphalt klebten Tausende gelbweiße, ausgespuckte Kaugummis. Daneben die schwarzen Flecke von Kautabak. Ein nach Geschlechtern getrennter asphaltierter Sternenhimmel direkt unter den Füßen, das Schmutzigweiße und das Kohlrabenschwarze würden sich nie treffen. So war es vorausbestimmt. Und doch suchten sie einander. Junge und Mädchen.
Wenn Emma mit Cesar zusammen war, dann wurde sie zu dem Mädchen, das sie so lange verachtet hatte. Bevor es Cesar gab, war sie ganz einfach Emma, der Mensch. Bei ihm wurde sie plötzlich Emma, das Mädchen. Das erschreckte und lockte sie. Das Gefühl zwischen den Beinen, das pulsierende Blut wärmte jeden Winkel ihres Körpers. Falten, die sie noch nie bemerkt hatte, wurden plötzlich warm und juckten. Ihr Lachen war heller und wohlwollender. Gefälliger? Sie hörte es, konnte es jedoch nicht stoppen. Sie hörte sich nur fasziniert zu und fragte sich, ob die anderen diese Veränderung auch bemerkten. Julia hätte sie zweifellos bemerkt, wenn sie da gewesen wäre. Aber zurzeit kam und ging sie, wie sie Lust hatte, und seit dem Vorfall am Abend mit dem Baum traute Emma sich nicht mehr, mit ihr darüber zu streiten. Alles war so zerbrechlich und konnte jeden Moment explodieren. Das sah man jeder Faser ihres Körpers an.
Sie standen auf dem Teppich aus Kaugummi und Kautabak, der unter der dünnen Schneeschicht hervorkam. Auf dem Schulhof gab es viele kahle Flecken, wo der Schnee von rastlosen Füßen weggekratzt worden war. Es war der Morgen des Luciatages. Cesar, Emma, Gustav und Helena warteten auf das Klingeln. Gustav und Helena waren das zweite Paar in der Klasse. Gustavs Akne war plötzlich über das ganze Gesicht erblüht, wie Wildrosen mit einer nektargefüllten Blase in der Mitte. Es stand ihm, bisher hatten sein blasses Gesicht und sein schlaksiger Körper etwas Ängstliches und Kontrolliertes gehabt, durch diese Wildrosen bekam er eine gewisse Dramatik. Emma schaute ihn genau an und wusste plötzlich, dass sie ihn nun eigentlich zum ersten Mal sah .
Er erzählte etwas über die Deutschlehrerin, Frau Alzheimer, wie alle sie nannten. Sie war schon eine Ewigkeit an der Schule und würde nächstes Jahr in Rente gehen. Gustavs Bewegungen waren ausgreifend und er gestikulierte wild, Emma lachte laut, als sie Julia kommen sah. Sie spürte ihre Nähe, bevor sie sie sah, und plötzlich fühlte sich Cesars Arm auf ihrer Schulter schwer und unbequem an. Sie konnte sich vorstellen, wie sie aussahen, ein Quadrat aus Paaren, die feige die Nähe der anderen suchten.
Sie zwang sich zu einem Lächeln, obwohl sie spürte, dass es steif und aufgesetzt war. Ihr Mädchenlächeln.
»Julia! Komm!«
Sie hatten nie miteinander über
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