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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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Erinnerungslücken zu haben, darüber hatten die anderen zustimmend gelacht.
    Das entsprach fast der Wahrheit, Carl erinnerte sich jedoch an mehr, als ihm lieb war.
    Eine Matratze in einem Plastikbezug auf dem Boden.
    Dünn und zerbrechlich, ganz still.
    Dunkle Augen, die an die Decke starrten, er fasste ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen.
    Ihr Widerstand erregte ihn.
    Er wusste, dass er schwer war.
    Er hörte, wie ihre dünnen Knochen unter dem Gewicht seines Körpers nachgaben.
    Er sah, dass sie Angst hatte, und schlug sie leicht auf die Wange. Erstaunt sperrte sie die Augen auf und schaute ihn an.
    Er schlug sie wieder, ein wenig fester.
    Dann noch ein wenig fester.
    Ihre Brüste waren klein und nicht entwickelt, sie konnte nicht älter als dreizehn, vierzehn sein.
    Fast wie.
    Julia würde in zwei Jahren vierzehn werden.
    Das Mädchen unter ihm auf der Plastikmatratze war eng und wand sich, um ihm zu entkommen.
    Fast wie.
    Danach Schweigen. Sie waren zu mehreren in das schmale Haus mit den vielen Stockwerken gegangen. Er wusste nicht genau, was die anderen erlebt hatten, was sie in den kleinen Zimmern gemacht hatten. Sie waren jeder für sich zum Hotel getorkelt, ohne miteinander zu sprechen. Als würde das den Rausch verstärken, eine willkommene Zuflucht, in der sie sich schamvoll verstecken konnten.
    Carl lachte laut mit den anderen, bis Steven Librinski seine Stimme erhob.
    »Ich würde vorschlagen, dass wir dieses Jahr nach Kopenhagen fahren. Dort können wir durch den Cousin von Lukas einen guten Preis bekommen, nicht wahr Lukas?«
    »Ganz richtig.«
    Lukas nickte.
    »Ja, ich finde Kopenhagen auch sehr nett.«
    Gunnar schaute in die Runde, viele nickten zustimmend.
    Die Entscheidung war gefallen.
    Carl schaute aus dem Fenster, große weiße Flocken schwebten vom schwarzen Himmel herunter.
    Sie fielen und tanzten, weiße Engel in der Dunkelheit. Es war richtig gewesen, nicht mit dem Auto zur Versammlung zu fahren, außerdem würde ihm der zwanzigminütige Spaziergang nach Hause sehr guttun.
    Der Schnee hatte sich schon wie eine dicke Schicht Glitzerpuder auf die leeren Straßen gelegt. Carl schaute nach oben in den Himmel und ließ die Schneeflocken auf der Haut landen. Es brannte wie kleine Stiche. Er erinnerte sich deutlich an den Schmerz in den Zehen, wenn er als Kind Stunden auf der blanken Schlittschuhbahn zugebracht hatte. Wie die durch Kälte hervorgerufene Hitze brannte. Als Kind war er nach der Schule oft stundenlang Schlittschuh gelaufen. Im Dunkel des blanken Eises konnte er allein mit seinen Gedanken sein. Die anderen Kinder gingen schon nachmittags nach Hause, aber in Carls Familie traf man sich erst um sieben Uhr. Die Stunde, die er allein verbrachte, war die beste des ganzen Tages. Verschwitzt und erhitzt von der Bewegung, die Beine ganz taub vor Müdigkeit, und dann der Schmerz in den erfrorenen Zehen. Das Alleinsein war schon immer sein Freund gewesen. Solange er sich erinnern konnte, hatte er es vorgezogen, zuzuschauen. Er hatte sorgfältig darauf geachtet, sich nicht allzu sehr mit jemandem anzufreunden. Das war heute noch genauso. Sicherlich, er hatte viele Bekannte, im Rotary und durch die Arbeit, ein reiches soziales Leben. Aber Freunde waren etwas anderes. Und Gisela war auch etwas ganz anderes. Ein anderes Wesen, schwer zu verstehen und launisch. Solange sie ihre Aufgaben erfüllte, ihren Teil der Verabredung, empfand er manchmal eine Art Wärme für sie. Aber in letzter Zeit war es immer öfter vorgekommen, dass er sie in ausdruckslosen Posen angetroffen hatte. Sie starrte leer vor sich hin, als sei sie in einer anderen Welt. Wenn er sie dann ansprach, zuckte sie zusammen und schaute ihn so voller Angst an, dass er sie noch mehr verachtete. Was glaubte sie eigentlich? Er hatte nie die Hand gegen sie erhoben, obwohl sie im Lauf der Jahre so manche Ohrfeige verdient gehabt hätte. Und doch war da diese Angst in ihrem Blick, wenn sie ihn anschaute.
    Er kannte einige Männer, die ihre Frauen erheblich schlechter behandelten als er. Jan Lundgård zum Beispiel. Alle wussten, dass er jede Menge Affären hatte. Nein, Giselas vorwurfsvollen Blick hatte er wirklich nicht verdient.
    Das Bellen eines Hundes ließ ihn zusammenzucken. Ein paar Meter entfernt bellte ihn ein schwarzer Pudel an. Er sah, wie die Besitzerin, eine Frau um die sechzig, herbeilief und versuchte, den Pudel zu beruhigen, der offensichtlich Hyland hieß.
    Plötzlich spürte er, wie in ihm eine Wut wuchs und

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