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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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was gehört, ehrlich. Hab auch nichts von dem Zeug gelesen. Nur dem ›Falschen Fünfziger‹ zum Gefallen hab ich mal reingeschaut. Aber das war so’n altdeutsches Geschwafel, das versteht doch kein normaler Mensch. Wenn ich jetzt drüber nachdenke, musste ich ihm damals sogar Bücher von draußen besorgen, die wir hier nicht hatten. Ich glaube, der hat alles von diesem Storm gelesen, selbst Bücher, die andere Typen über den Kerl geschrieben haben. Der war wie besessen von dem Zeug.«
    »Wo stehen die Bücher von Storm denn. Kann ich mir die mal ansehen?«
    »Unter ›S‹, viertes Regal von hier, links. Gucken Sie sich einfach um.«
    Swensen erhebt sich und geht zum beschriebenen Regal.
    »Ja, genau dort«, ruft Ogorzow ihm hinterher. »Und jetzt links!«
    Swensens Augen wandern über die Buchrücken, bis er auf eine Reihe Storm-Bände stößt. Sie stehen gerade in einem Lichtstrahl der Sonne, der durch ein kleines Dachfenster fällt. Einige der Bücher sind in altes, schon brüchiges Leder eingebunden. Die Goldschrift auf dem Buchdeckel glänzt. Er liest ›Pole Poppenspäler‹, nimmt es aus dem Regal und blättert es langsam durch. Es ist eine Braunschweiger Ausgabe von 1968. Auf mehreren Seiten sind am Rand mit Bleistift Notizen gemacht worden. Er liest wahllos hinein, bleibt dann an einer Passage hängen.
    Du kennst unseren Schützenhof in der Süderstraße; auf der Haustür sah man damals noch einen schön gemalten Schützen, in Lebensgröße, mit Federhut und Büchse; im Übrigen war aber der alte Kasten damals noch baufälliger, als er heute ist.
    Zwischen den Zeilen sieht er die Tür vom Schützenhof, dann sich selbst. Er steht neben vier Männern. Sie packen den Eisenklotz und lassen ihn mit voller Wucht gegen das Türschloss knallen. Die Tür fliegt auf. Drinnen liegt Hajo Peters ausgestreckt auf dem Rücken. Blutüberströmt hält er eine Walther 7,65 in der rechten Hand.
    Ludwig Rohde steckt da mit drin, denkt Swensen.
    Er stellt das Buch zurück und greift das nächste daneben. ›Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft aus dem Jahr 1968.‹ Im Inhaltsverzeichnis findet er: Zur Druckgeschichte der »Ersten Gesamtausgabe«. Eine Intuition lässt ihn das Kapitel aufschlagen. Beim Durchblättern wird er stutzig. Volltreffer! Neben dem Abdruck einer Handschrift von Storm, hat jemand mit Bleistift dessen Schriftzug nachgeahmt. ›Pole Poppenspäler‹ steht da, exakt kopiert, mehrfach untereinander geschrieben.
    Verblüffend, denkt Swensen. Kein Zweifel, unser Fälscher hat sich selbst überführt. Und er liefert uns sogar noch den Beweis frei Haus.
    Die Fährte ist heiß, sehr heiß, denkt er und klemmt sich das Buch unter den Arm. Doch wo steckt Ludwig Rohde? Fällt bei ihm auch gerade das Sonnenlicht durchs Fenster? Genießt er vielleicht ›Mehlbüttel‹ mit Kassler zu Mittag oder hört ›Monteverdi‹? Denkt er darüber nach, ob ihm als einzigem ein perfekter Mord gelungen ist? Oder ist dieser Ludwig Rohde gar nicht der Mörder von Hajo Peters? Tja, Swensen, du weißt, dass du nichts weißt.
    »Das ist die Weisheit des Nichtwissens«, hört er in sich die Stimme seines Meisters Rinpoche. »Wer auf diese Weise leer ist, hat zur Fülle des Nichts gefunden.«

13
    Als Swensen die Tür öffnet, fällt sein erster Blick auf Elisabeth Karls Oberweite, die ihm entgegenwippt, als sie sich im Drehstuhl herumfahren lässt. Er glaubt, dass ihre Augen kurz aufgeleuchtet haben.
    »Herr Swensen?«, fragt sie mit der bekannt rauen Stimme. »Was machen Sie denn schon wieder bei uns?«
    »Ich habe an Sie gedacht, Frau Karl. Sie können mir bestimmt weiterhelfen. Ich komm nämlich gerade von einer Ermittlung aus der JVA, und von der Faeschstraße bis hierher ist es ja nur ein Katzensprung.«
    »Oh schade! Ich dachte schon, Sie wollten Ihre damalige Einladung zum Essen wiederholen. Heute wäre ich dabei gewesen.«
    Elisabeth Karl fährt sich mit der Hand durch ihre rote Strähne. Hallo, denkt Swensen, für einen Flirt ist das jetzt schon fast etwas zu dick. Nun bilde dir nichts ein alter Knabe, rückt er seinen Gedanken gleich wieder zurecht, du könntest ihr Vater sein.
    »Die Einladung steht selbstverständlich noch. Meinetwegen auch sofort. Ich hab allerdings einen kleinen Hintergedanken.«
    »Nicht jetzt, Herr Swensen, später! Ich habe einen Mordshunger!«
    »Also auf zu Ihrem Geheimtipp vom letzten Mal, oder?«
    »Sie meinen den Inder?«
    Swensen nickt. Elisabeth Karl grinst und schnappt ihren Mantel, der an

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