Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
nichts von Ihnen persönlich, Herr Nielsen. Besonders, wenn Sie sich mir gegenüber aufgeschlossen verhalten. Ich möchte nur wissen ob Peters eine illegale Waffe besitzt. Das ist alles, also, überlegen Sie genau, was Sie jetzt sagen.«
»Wir kennen uns kaum. Ich treffe ihn höchstens einmal im Jahr, wenn es gelingt, unsere alte Bundeswehrclique zusammenzutrommeln.«
»Und, was wollen Sie mir damit sagen?«
»Wenn ich auspacke, bleibt das unter uns!«, flüstert der Mann.
»Ich bin verschwiegen und privat hier«, beruhigt Swensen.
»Also, unsere alte Clique trifft sich einmal im Jahr zum Schießen. Während so eines Treffens hat mir Peters mal eine Waffe gezeigt. Die hatte er nicht von mir, Ehrenwort.«
»Das mit dem Ehrenwort überlassen Sie lieber den Politikern, besonders hier in Kiel«, scherzt Swensen. Aber sein Gegenüber bleibt unbeteiligt. »Was war das für eine Waffe?«
»Eine Walther P 48, 7,65 mm«, antwortet Nielsen wie aus der Pistole geschossen.
»Aha! Sie kennen sich aus!«
»Ich bin sauber!«, sagt Nielsen mit einer abwehrenden Handbewegung.
»Entspannen Sie sich, Herr Nielsen. Mehr wollte ich gar nicht wissen. Das Gespräch bleibt unter uns.“
»Von mir erfährt niemand etwas.«
»Das ist sehr klug, Herr Nielsen. Wirklich sehr klug!«
10
»In Schweden ist es in den Neunzigern gelungen verwendbare Fingerabdrücke auf hundert Jahre alten Dokumenten mit Ninhydrin sichtbar zu machen«, erklärt Robert Bulemann, einer der wirklich guten Daktyloskopen im Landeskriminalamt, wobei er das Storm-Manuskript wie ein rohes Ei aus einem Leinentuch auswickelt. »Da werden wir bestimmt locker mit unseren Storm-Papieren fertig werden. Wer weiß, vielleicht finden wir sogar welche vom großen Dichter persönlich.«
Neben Swensen und Bulemann stehen noch zwei weitere Männer, die sich offensichtlich in der Ausbildung befinden, und Elisabeth Karl mit im Raum. »Besten Dank übrigens, dass Sie mich benachrichtigten ließen«, sagt Swensen und nickt ihr zu.
»Nichts zu danken, Herr Swensen«, erwidert Bulemann, der nicht mitbekommen hatte, dass der Dank nicht ihm galt. »Es hat immerhin genügend Wirbel um unser wertvolles Stück gegeben. Irgendjemand muss da was losgetreten haben. Das Kultusministerium intervenierte beim Justizministerium und das wiederum bei unserem Chef. Ja, es ist schon eine brisante Arbeit, die wir hier auf dem Tisch liegen haben. Deswegen hat sich der ganze Kram ein wenig verzögert und ich hab extra einen Sonnabendtermin eingeschoben, weil Sie gerade in Kiel sind, Herr Swensen.«
»Nochmals vielen Dank«.
Mit der Zungenspitze zwischen den Lippen nimmt Robert Bulemann den oberen Leinendeckel mit den handschuhgeschützten Fingerspitzen von den beschriebenen Papieren.
»Wir werden erst einmal das hier untersuchen. Vielleicht kommen wir damit schon so weit, dass wir uns die Untersuchung der historischen Papiere sparen können. Es muss ja nichts unnötig mit Chemie behandelt werden.«
Er legt den Leinendeckel auf einen etwas entfernten Labortisch. Die Gruppe folgt ihm. Bulemann greift zu einer Spritzflasche.
»Als ich vor 25 Jahren bei der Spurensicherung anfing, da sind wir noch mit Fehhaar-Pinsel, Ruß- und Lumineszenzpulver durch die Gegend getigert«, sagt er und nimmt die dozierende Haltung eines Uniprofessors ein. »Wir haben damals einfach drauflos gemacht. Was dabei herauskam, das kam eben dabei heraus. Die meisten Fingerabdrücke konntest du dabei von vornherein vergessen. So’n Zeug verwenden wir heute nur noch auf nichtsaugenden Oberflächen, wenn die Abdrücke höchstens zwei Tage alt sind.«
»Für unseren Buchdeckel verwenden wir eine 1%ige Ninhydrin-Lösung. Ninhydrin erzeugt mit den Aminosäuren und Peptiden im menschlichen Schweiß eine purpur-blaue Farbreaktion, das so genannte ›Ruhemannsche Purpur‹«, sagt er und blickt zu den beiden jungen Männern hinüber, die nicht gerade vor Aufmerksamkeit sprühen, »… nach Siegfried Ruhemann, der das schon 1911 entdeckte. Diese Farbreaktion ist so empfindlich, dass sich mit ihr selbst die kleinste Menge Aminosäure nachweisen lässt.«
Swensen muss sich eingestehen, dass er trotz seiner langen Dienstzeit nicht viel Ahnung von den Details der Spurensicherung hat. Bulemann besprüht den leicht porösen Leinendeckel vorsichtig mit dem Lösungsmittel. Danach legt er ihn in einen Trockenschrank und schaltet darin ein UV-Licht an. Als Swensen durch die Glasscheibe ins Innere guckt, zeichnen sich mehrere kleine
Weitere Kostenlose Bücher