Hafen der Träume: Roman (German Edition)
auch nicht.
Wenn du so weitermachst, wird Gloria dir die Rechnung für deine so genannte Nächstenliebe präsentieren.«
»Mit Gloria komme ich zurecht.«
Es folgte ein kurzes, sprödes Lachen. »Das dachtest du immer. Und jedes Mal hast du dich getäuscht. Bitte halt mich und deinen Vater aus dieser Angelegenheit heraus. Wenn du wieder zur Vernunft gekommen bist, melde dich bei uns.«
»Mutter …« Als das Freizeichen ertönte, zuckte Sybill zusammen. Barbara Griffin war eine Meisterin in der Kunst, das letzte Wort zu behalten. Sybill legte den Hörer sehr langsam in die Gabel zurück. Ebenso bedächtig schluckte sie das Antanzidum.
Dann kehrte sie entschlossen an ihren Bildschirm zurück und vergrub sich in die Arbeit.
KAPITEL 5
Sybill war immer pünktlich, während sich alle anderen Menschen, mit denen sie zu tun hatte, niemals an die verabredete Zeit hielten. Daher war sie überrascht, dass Phillip bereits am Tisch saß, den er für das Abendessen reserviert hatte.
Er stand auf, schenkte Sybill ein umwerfendes Lächeln und überreichte ihr eine einzelne gelbe Rose. Beides war bezaubernd und weckte gleichzeitig ihr Misstrauen.
»Danke.«
»War mir ein Vergnügen. Ehrlich. Sie sehen wunderbar aus.«
Sybill hatte sich in dieser Hinsicht einige Mühe gegeben, aber mehr für sich selbst, als um ihm zu gefallen. Nach dem Anruf ihrer Mutter war sie ziemlich niedergeschlagen und schuldbewusst gewesen. Sie hatte versucht, beide Gefühle abzuschütteln, indem sie sich viel Zeit nahm und große Sorgfalt auf ihre äußere Erscheinung verwandte.
Das schlichte schwarze Kleid mit dem rechteckigen Ausschnitt und den engen Ärmeln trug sie besonders gern. Die einreihige Perlenkette war ein Erbstück von ihrer Großmutter väterlicherseits, und sie liebte diesen Schmuck sehr. Ihr Haar hatte sie zu einem weichen Knoten geschlungen, und an den Ohren steckten rund geschliffene Saphire, die sie vor einem Jahr in London gekauft hatte.
Sybill war klar, dass ihre Aufmachung eine Art weiblicher Rüstung darstellte, in die Frauen schlüpften, um Selbstvertrauen und Macht zu gewinnen. Und Sybill wollte beides.
»Danke.« Sie glitt auf den Platz ihm gegenüber und schnupperte an der Rose. »Auch dafür noch einmal.«
»Ich kenne die Weinliste hier«, sagte er. »Vertrauen Sie mir?«
»Was den Wein betrifft? Warum nicht?«
»Gut.« Phillip warf einen Blick zum Kellner. »Wir nehmen eine Flasche von Nummer 103.«
Sybill legte ihre Rose neben die in Leder gebundene Speisekarte. »Und das wäre?«
»Ein sehr guter Pouilly Fouisse. Ich weiß von unserer Begegnung bei Shiney’s, dass Sie Weißwein mögen. Dieser hier wird im Vergleich dazu einige Stufen besser sein.«
»Das ist wohl beinahe jede Sorte.«
Phillip neigte den Kopf und nahm ihre Hand. »Stimmt etwas nicht?«
»Nein.« Sie verzog den Mund. »Was sollte nicht stimmen? Alles ist, wie es sein sollte.« Sybill wandte sich zum Fenster, das zur Bucht hinausging. Der Himmel hatte sich von der untergehenden Sonne rosa gefärbt, und darunter erstreckte sich dunkelblau und herrlich bewegt die weite Wasserfläche. »Ein wunderbarer Blick, ein hübsches Lokal.« Sybill wandte sich wieder zu Phillip. »Und ein interessanter Begleiter für den Abend.«
Nein, dachte Phillip, als er in ihre Augen sah. Etwas war nicht in Ordnung. Einem Impuls folgend, umfasste er ihr Kinn und küsste sie sanft auf den Mund.
Sybill wich nicht zurück. Der Kuss war wie ein Hauch, weich und erfahren. Und sehr tröstend. Sie gestattete sich die Empfindung. Als Phillip sich zurückzog, hob sie fragend die Braue. »Wofür war das?«
»Sie sahen aus, als könnten Sie es brauchen.«
Am liebsten hätte sie geseufzt. Stattdessen legte sie die Hände in den Schoß. »Danke, sehr freundlich.«
»Aber gern. Da wir gerade dabei sind …« Der Druck
seiner Finger an ihrem Kinn wurde nur wenig stärker, und er küsste sie wieder, dieses Mal länger und tiefer.
Sybills Lippen teilten sich, bevor ihr klar wurde, was sie geschehen ließ. Ihr Atem stockte, dann ließ sie los. Ein Prickeln lief ihr über die Haut, als Phillip an den Innenseiten ihrer Lippen nagte und Sybill mit der Zunge zu einem langsamen und verführerischen Tanz einlud.
Sie hatte die Finger fest ineinander verschränkt, und ihr Verstand begann zu verschwimmen, als Phillip sich von ihr löste.
»Und das war wofür?« gelang es ihr zu fragen.
»Das habe ich wohl gebraucht.«
Mit den Lippen liebkoste er erneut ihren Mund und noch einmal,
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