Hafen der Träume: Roman (German Edition)
»Ich bekomme ein Kind.«
»Echt? Wow! Super. Das ist cool. Voll cool. Weiß Aub es schon?«
»Nein, Ethan und ich sagen es ihr später. Vorher wollen wir dir was zeigen. Draußen.«
»Draußen.« Seth kehrte um, doch Phillip versperrte ihm den Weg.
»Noch nicht.«
»Was denn? Geh aus dem Weg, Mann. Ich will wissen, was es draußen zu sehen gibt.«
»Wir sollten ihm die Augen verbinden«, schlug Phillip vor.
»Wir sollten ihn knebeln«, war Cams Empfehlung.
Ethan wählte eine dritte Lösung und schwang sich Seth wie einen Mehlsack über die Schulter. Als Grace mit Aubrey aus dem Wohnzimmer kam, blinzelte Ethan ihr zu, hielt den zappelnden Seth mit festem Griff und ging aus dem Haus.
»Wirf mich bloß nicht wieder ins Wasser!« quietschte Seth halb lachend, halb schaudernd. »Hört mal, Jungs. Das Wasser ist eisig.«
»Schwächling«, schnaubte Cam verächtlich, als Seth auf Ethans Rücken den Kopf hob.
»Wenn ihr das versucht«, warnte Seth, und in seinen Augen tanzten Übermut und Herausforderung, »dann nehm ich mindestens einen von euch mit.«
»Ja, ja. Angeber.« Phillip drückte Seths Kopf wieder nach unten. »Fertig?« fragte er, als die ganze Familie am Ufer versammelt war. »Gut. Tu es, Ethan.«
»Mann, das Wasser ist eiskalt!« protestierte Seth und wollte schon losschreien, als Ethan ihn fallen ließ. Im letzten Moment wurde er sanft auf die Füße gestellt und zu einem hübschen kleinen Sperrholzboot umgedreht, dessen himmelblaues Segel im Abendwind fächelte. »Was – woher kommt das denn?«
»Vom Schweiße unseres Angesichts«, erklärte Phillip trocken, während Seth das Boot mit offenem Mund anstaunte.
»Ist es … wer kauft das denn?«
»Es ist nicht zu verkaufen«, sagte Cam.
»Es … ist es …« Das kann nicht sein, dachte Seth, während sein Herz wild hämmerte vor Aufregung, vor Schreck und Hoffnung. »Bekomme ich das etwa?«
»Du bist der Einzige, der heute Geburtstag hat«, half
Cam ihm auf die Sprünge. »Willst du es dir nicht näher ansehen?«
»Es gehört tatsächlich mir?« flüsterte er in überwältigter Andacht. Sybill spürte ein Brennen in den Augen. »Es gehört mir?« Diesmal kam die Frage wie eine Explosion, und der Junge schnellte herum. Sein glückstrahlendes Gesicht schnürte Sybill die Kehle zu. »Ich darf es behalten?«
»Du bist ein guter Segler«, erklärte Ethan. »Es ist ein robustes kleines Boot, nicht besonders schnell, aber sicher.«
»Ihr habt es für mich gebaut.« Seths Blick flog von Ethan zu Phillip und zu Cam. »Für mich?«
»Nee, wir haben es für einen anderen Bengel gebaut.« Cam gab ihm einen leichten Klaps auf den Hinterkopf. »Wie findest du es? Sieh es dir mal genauer an.«
»Ja.« Seths Stimme überschlug sich, als er sich wieder umdrehte. »Ja, darf ich rein? Darf ich mich reinsetzen?«
»Mann, es gehört dir, kapiert?« Cams Stimme war ganz heiser, als er Seth an der Hand packte und ihn auf die Mole zog.
»Ich glaube, das ist jetzt Männersache«, murmelte Anna. »Wir lassen sie fünf Minuten allein, bis sie sich wieder einkriegen.«
»Sie lieben den Jungen über alles.« Sybill beobachtete die drei Männer und den Jungen noch eine Weile, die großen Lärm um ein kleines Boot machten. »Ich glaube, ich habe das erst jetzt richtig begriffen.«
»Seth liebt die drei auch.« Grace schmiegte ihre Wange an Aubreys Kindergesicht.
Und es war noch mehr, dachte Sybill, als die Familie um den großen Küchentisch beim Essen saß. Es war dieser Schreck in Seths Gesicht. Dieses Nicht-fassen-Können,
dass ihn jemand liebte, dass ihn jemand so lieben könnte, um ihm seinen Herzenswunsch zu erfüllen.
Das Muster seines bisherigen Lebens, dachte sie wehmütig. Sein geschundenes, kleines Leben hatte sich verändert, und ein Heilungsprozess hatte eingesetzt. Das alles war geschehen, bevor sie auf der Bildfläche erschien. Nun war sein Leben geordnet, behütet und verlief so, wie es sein sollte.
Sie gehörte nicht hierher. Sie konnte nicht bleiben. Sie konnte es nicht ertragen.
»Ich sollte wirklich gehen«, sagte sie mit einem höflichen Lächeln. »Vielen Dank für …«
»Seth hat Ihr Geschenk noch gar nicht aufgemacht«, fiel Anna ihr ins Wort. »Er könnte sich jetzt darüber hermachen, und den Geburtstagskuchen essen wir später.«
»Kuchen!« Aubrey in ihrem hohen Kinderstühlchen klatschte begeistert in die Hände. »Kerzen auspusten, und Seth darf sich was wünschen.«
»Bald, mein Schatz«, vertröstete Grace die
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