Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Falle gegangen.«
»Sie ist Seths Tante.« Phillip bog erregt um die Ecke des Hauses. »Wenn sie ein Teil seines Lebens – unseres Lebens – werden möchte, muss ich sie verstehen.«
»Seth hat natürlich damit etwas zu tun, aber du hast heute Morgen vor ihr Reißaus genommen, weil du Angst hattest.«
Phillip stellte sich breitbeinig vor Ray, straffte seine Schultern und sah ihn böse an. »Erstens kann ich es kaum fassen, dass ich mich mit dir streiten muss. Zweitens hast du mich, als du noch unter den Lebenden weiltest, mein eigenes Leben leben lassen.«
Ray lächelte ihn an. »Nun, ich denke, mittlerweile habe ich zu vielen Dingen eine andere Einstellung. Ich möchte nur, dass du glücklich bist, Phil. Und solange ich nicht sicher bin, dass die Menschen, die mir etwas bedeuten, zufrieden sind, kann ich nicht gehen. Aber eigentlich bin ich bereit dazu«, sagte er leise. »Ich möchte wieder mit deiner Mutter zusammen sein.«
»Hast du sie … Wie geht es ihr?«
»Sie wartet auf mich.« Ein Lächeln glitt über Rays Gesicht. »Und sie hat noch nie zu den Frauen gehört, die lange warten können.«
»Ich vermisse sie sehr.«
»Das weiß ich. Mir geht es ebenso. Sie wäre geschmeichelt, aber auch gekränkt, weil du dich bisher mit keiner eingelassen hast, die unter dem Niveau deiner Mutter war.«
Phillip starrte seinen Vater verblüfft an. Dieses Geheimnis hatte er lange Zeit mühsam bewahrt. »Nein, das stimmt nicht.«
»Doch, teilweise.« Ray nickte bestätigend. »Du musst deinen Weg finden, Phil. Du wirst es schaffen. Was du heute für Seth getan hast, war sehr gut. Und Sybill hat auch ihren Teil dazu beigetragen.« Er schaute nach oben auf das hell erleuchtete Schlafzimmerfenster. »Ihr seid ein gutes Team, auch wenn ihr manchmal nicht am gleichen
Strang zieht. Vielleicht ist euch nicht bewusst, wie sehr euch das beschäftigt.«
»Wusstest du, dass er dein Enkel ist?«
»Am Anfang nicht.« Er seufzte. »Als Gloria mich ausfindig gemacht hatte, war ich vollkommen überrumpelt. Sie hat mich angeschrien, beschimpft, mich verflucht und ihre Forderungen gestellt. Ich konnte mir darauf keinen Reim machen. Dann hörte ich, dass sie zu unserem Dekan gegangen sei und ihm erzählt habe, ich hätte sie belästigt. Diese Frau hat Probleme.«
»Sie ist ein Luder.«
Ray zuckte mit den Schultern. »Hätte ich die Möglichkeit gehabt, sie besser kennen zu lernen … Na ja, es ist wohl müßig, sich darüber noch Gedanken zu machen. Ich konnte für Gloria nichts tun, aber für Seth. Ich habe nur einen Blick auf ihn geworfen und wusste schon Bescheid. Also gab ich ihr Geld. Vielleicht war das falsch, aber der Junge brauchte mich. Es hat Wochen gedauert, um Barbara ausfindig zu machen. Ich wollte von ihr nur eine Bestätigung haben. Dreimal habe ich ihr geschrieben und sie sogar einmal in Paris angerufen. Sie weigerte sich jedoch, mit mir zu reden. Die Sache hat mich immer noch beschäftigt, als ich den Unfall hatte. Dumm von mir«, gab er zu. »Ich habe es zugelassen, dass Gloria mich so sehr in meinen Gedanken beschäftigt hat. Ich war zornig auf sie, machte mir Sorgen um Seth und überlegte, wie ihr drei mit dieser Neuigkeit umgehen würdet. Dann bin ich wohl zu schnell und zu unvorsichtig gefahren. Und das war es dann.«
»Wir hätten zu dir gestanden.«
»Das weiß ich, und es war dumm von mir, das nicht zu begreifen. Stella war aus meinem Leben verschwunden, ihr drei wart selbstständig, und ich habe trotzdem noch über alles nachgebrütet. Jetzt müsst ihr euch um Seth kümmern. Das ist im Augenblick das Wichtigste.«
»Wir haben es ja beinahe schon geschafft. Dank Sybills Einfluss ist die Vormundschaft eigentlich geregelt.«
»Sie hat sehr viel für euch getan, und sie ist stärker, als sie sich selbst eingesteht. Und als andere ihr zutrauen.«
Rays Stimmung schlug plötzlich um. Er schnalzte mit der Zunge. »Ich nehme an, du kletterst jetzt wieder nach oben.«
»Das hatte ich vor.«
»Dieses Talent besitzt du also noch. Vielleicht ist das in diesem Fall nicht schlecht. Dieses Mädchen braucht möglicherweise eine Überraschung in ihrem Leben.« Ray zwinkerte Phillip zu. »Pass nur auf.«
»Du kommst nicht mit nach oben, oder?«
»Nein.« Ray schlug Phillip auf die Schulter und lachte herzhaft. »Manche Dinge wollen Väter lieber nicht sehen.«
»Gut. Aber da du schon hier bist, könntest du mir die Sache etwas erleichtern. Hilf mir, auf den Balkon im ersten Stock zu kommen.«
»Kein Problem.
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