Hafen der Träume: Roman (German Edition)
ungerührt und zwang sie mit sanftem Druck, sich auf die Backbordbank zu setzen. »Machen Sie es sich bequem und genießen Sie die Fahrt.«
Da sie nicht die Absicht hatte, über Bord zu springen und im Seidenkostüm und ihren italienischen Stöckelschuhen an Land zu schwimmen, verschränkte sie gereizt die Arme. Vermutlich war das seine Art, sich an ihr zu rächen. Ihr die Freiheit der Wahl zu nehmen, ihr seinen Willen aufzuzwingen und sie seine körperliche Überlegenheit spüren zu lassen.
Typisch Mann. Macho.
Sie drehte den Kopf zur Seite und starrte auf den leichten Wellenschlag. Sie hatte keine Angst vor ihm, jedenfalls nicht körperlich. Er war zwar grober, als sie ursprünglich angenommen hatte, aber er würde ihr nicht wehtun. Im Übrigen hatte er Seth gern, sehr gern, wie sie mittlerweile wusste. Also brauchte er ihre Unterstützung und wollte sie sich nicht zur Feindin machen.
Sie weigerte sich, sich davon begeistern zu lassen, wie er die Segel hochzog. Eigensinnig beharrte sie darauf, dass das schlagende Klatschen der vom Wind geblähten Leinwand, die kräuselnden Reflexe der Sonnenstrahlen auf dem grellen Weiß, die sanfte Neigung des Bootes, als es Fahrt aufnahm, ihr nichts bedeuteten.
Sie würde sein albernes Spielchen einfach über sich ergehen lassen, ohne eine Reaktion zu zeigen. Irgendwann würde ihm ihr Schweigen auf die Nerven fallen und er würde sie zurückbringen.
»Hier.« Er warf ihr etwas zu, worüber sie erschrak. Eine Sonnenbrille war zielsicher auf ihrem Schoß gelandet.
»Die Sonne ist intensiv, auch wenn es nicht mehr so heiß ist. Altweibersommer.«
Er schmunzelte über ihr beharrliches Schweigen, die unwirsche Geste, mit der sie die Sonnenbrille auf die Nase setzte und eigensinnig in die andere Richtung starrte.
»Nach dem ersten Frost«, fuhr er im Plauderton fort, »beginnen die Laubbäume sich zu färben. Der Küstenstreifen vor unserem Haus ist dann eine wahre Pracht. Gold- und Rottöne in allen Schattierungen. Der tiefblaue Himmel, das spiegelglatte Meer, der würzige Nussgeruch des Herbstes. Man hat das Gefühl, es gibt keinen schöneren Flecken auf dieser Erde, wo man lieber sein möchte.«
Sie presste weiterhin die Lippen aufeinander und verschränkte die Arme fester vor der Brust.
Phillip biss sich auf die Zunge, um nicht lachen zu müssen. »Selbst eingefleischte Städter wie wir beide genießen einen schönen Herbsttag am Meer wie ein Wunder. Bald hat Seth Geburtstag.«
Aus den Augenwinkeln sah er, wie ihr Kopf herumfuhr und sie den Mund öffnete. Sie klappte ihn jedoch wieder zu, doch diesmal zog sie die Schultern hoch, als sie sich wieder wegdrehte.
Aha, sie hat also doch Gefühle, freute sich Phillip. Hinter dieser kühlen Fassade brodelte ein großes Durcheinander von Empfindungen.
»Wir veranstalten eine Geburtstagsparty für ihn und laden seine Kumpels ein. Das wird ein tolles Fest. Dass Grace die beste Schokoladentorte der Welt backt, wissen Sie ja bereits. Wir haben auch schon ein Geschenk für ihn. Großes Geheimnis. Aber vor ein paar Tagen habe ich in Baltimore einen Laden um die Ecke von meinem Büro entdeckt. Ein Spezialgeschäft für Maler- und Künstlerbedarf. Toller Laden. Die haben alles, Kreiden, Pinsel, Kohle, Rötel, Stifte, Farben, Malblöcke und Paletten. Für
jemand, der an Malerei interessiert ist, ein wahres Paradies. Man findet alles, was das Herz begehrt.«
Er selbst hatte vorgehabt, dort mal rumzustöbern und für Seth noch eine Kleinigkeit zusätzlich zu besorgen. Doch nun wusste er, dass sein Gefühl ihn nicht getäuscht hatte, ihr davon zu erzählen. Sybill hatte sich ihm zugewandt, und ihrer Kopfhaltung entnahm er, dass ihr Interesse geweckt war, auch wenn die Sonne sich glitzernd in ihrer Sonnenbrille spiegelte und er ihre Augen nicht sehen konnte.
»Von mir will er bestimmt kein Geschenk.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Sie sollten etwas mehr Selbstvertrauen haben. Daran fehlt es Ihnen doch sonst nicht.«
Er trimmte die Segel, um den Wind zu fangen und beobachtete, dass sie die Bäume am Küstenstreifen erkannte und etwas unsicher auf die Füße kam. »Phillip, was immer Sie jetzt von mir halten, es ist sicher nicht richtig, Seth so kurz nach der letzten Begegnung zu einem Wiedersehen mit mir zu zwingen.«
»Ich bring Sie nicht zu uns nach Hause.« Im Vorbeifahren flog sein Blick hinüber zur Werkstatt. »Seth ist ohnehin mit Cam und Ethan in der Werkstatt. Sie brauchen Ablenkung, keine weitere Konfrontation. Und nur
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