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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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wieder erlosch, für eine Stunde ausgeblendet. Erst am Ende, als sie sich erhoben, hatte Masino ihm eine Hand auf den Arm gelegt und gesagt: »Wann immer du willst, du weißt, wo du mich finden kannst.«
    Betreten hatte Vito den Blick gesenkt.
    »Ich weiß.«
      Satt bis oben hin hatten sie das Lokal verlassen. Nach wenigen Schritten hatte Vito dem Freund gestehen müssen, daß er sich todmüde fühlte. Masino hatte sich besorgt erboten, ihn bis zur Haustür zu begleiten, und ihm zu Bettruhe, Erholung und Natronpulver geraten. Doch dabei hatte er – unbeabsichtigt versteht sich – das gute Werk zunichte gemacht: Ein rascher Blick zum Putz hinauf, der unter den Einschüssen abgeblättert war, hatte ihm vor lauter Nervosität den Zahnstocher von einem Mundwinkel in den anderen rutschen lassen.

    Der Maresciallo Corbo hatte die Angewohnheit, in den
    Telefonhörer zu brüllen wie in einen Lautsprecher, und eines schönen Tages hatte ihn ein Hauptmann deswegen gehörig den Kopf gewaschen.
      »Badalamenti will ich nicht, und nicht einmal Schembri. Badalamenti hat eine verheiratete Schwester im Ort, und den Schembri, den kennen Hund und Katz. Nein, ich höre sehr gut. Wer soll hier schreien? Also, das ist der Gipfel! Aber wer regt sich denn auf? Ich sagte, ich will zwei Männer, zwei Sizilianer, ich bestehe darauf, keine Festländer, die brauchen eine Ewigkeit, bis sie begreifen, was du ihnen sagst! Und in Zivil. Es ist wegen der Kommunisten, der Pfarrer ist total verrückt geworden und sagt, die Kommunisten dürfen dieses Jahr nicht die Bahre von San Calogero tragen, er wird hier noch einen Riesenzirkus veranstalten. Nein, in Uniform ist es nicht besser, ich habe mit dem Oberleutnant schon über alles geredet. Wenn sie in Zivil sind, dann kann ein Wort hier, ein anderes da ausreichen, um die Wogen vielleicht zu glätten. Ja, einverstanden, Manzella und Foti sind in Ordnung. Schick sie mir mit dem ersten Postbus, ich brauche sie schon in ein paar Stunden. Ich weiß, daß das Fest erst morgen ist, aber es ist bereits einiges los hier. Also, wie auch immer, ich brauche sie schnellstens. Auf Wiederhören.«
      Schweißüberströmt legte er den Hörer auf – also da schau einer her, wegen eines Telefongesprächs muß ich mir das antun! – und richtete das Wort an Carbone, der vor ihm stand und ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter zog.
    »Foti, den Jüngeren von den beiden, setz' ich Vito auf die Fersen. Er darf ihn nicht aus den Augen verlieren. Manzella, der weder lesen noch schreiben kann, lass' ich eine Runde im Comisini-Viertel drehen. Tognin stell' ich als Wachposten auf. Was hältst du davon?«
    »Und ich?« fragte Carbone, statt zu antworten.
    »Wie geht's deinem Buben?« gab Corbo zurück.
      »Wie es dem Herrn im Himmel beliebt. Das Fieber geht nicht runter.«
      »Hast du auch dieses Jahr San Calogero ein Weihversprechen gemacht?«
    »Fünf Kilo Brot.«
      »Du bleibst morgen am besten zu Hause. Dann könnt ihr San Calogero das Brot zuwerfen und das Kind ablenken.«
      Carbone fixierte ihn eine ganze Weile, bevor er den Mund aufmachte. »Was gibt's?« fragte er.
    »Nichts. Was soll schon sein?«
      »Mir ist das alles nicht geheuer. Von dieser Geschichte mit den Kommunisten habe ich nichts mitgekriegt.«
    »Aber ich.«
      »Wenn Foti auf Vito angesetzt ist, Manzella bei denen aus Comisini ist und Tognin Wache schiebt, wer hält dann die Kommunisten in Schach?«
      »Carbò«, brauste Corbo auf, »wer ist hier drinnen der Maresciallo?«
      »Ist ja schon gut«, lenkte Carbone ein und schickte sich an zu gehen. Seine Gedanken kreisten wie Mühlschaufeln, und als er auf der Türschwelle stand, fiel bei ihm der Groschen. Er drehte sich um.
    »Und wie geht's Ihren Angehörigen?«
    »Was für Angehörige?«
    »Ihren Kindern, wie geht's denen?«
    Sie tauschten einen Blick miteinander.
    »Meine Kinder sind längst erwachsen«, erwiderte Corbo.
    »Pirandello schrieb nun einmal so, wie er schrieb, weil seine Ehefrau verrückt war«, erklärte der Rechtsanwalt Sileci im Brustton der Überzeugung, »und als Dichter taugte er nichts. Wollen wir vielleicht Geas Osterfest mit dem Luzifer oder dem Hiob vergleichen? Pirandello kann Mario Rapisardi nicht das Wasser reichen!«
    »Aber wie, Pirandello schrieb doch vor der Hochzeit und
    danach, als es seiner Gemahlin noch gutging, hervorragend«, konterte der Maestro Contino.
      »Ja, aber was für Sachen hat er geschrieben, verehrter Freund? Dinge, die

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