Hahn, Nikola
selbst stammen«, sagte Paul Heusohn.
»Damit
haben Sie das zentrale Problem der nächsten dreißig bis fünfzig Jahre
forensischer Forschungsarbeit ebenfalls in einen Satz gesteckt.« Dr. Popp sah
Richard an. »Uhlenhuths Entdeckung ist trotz ihrer herausragenden Bedeutung
außerhalb fachwissenschaftlicher Kreise weitgehend unbekannt. Vorausgesetzt,
dieser Hopf hat die Bemerkung bewußt gemacht, müßte er über eine gewisse
akademische Bildung und einschlägige Quellen verfügen.«
Richard
dachte an Briddys Belladonna-Fläschchen und die Ausführungen von Dr. Portmann.
»Da haben Sie recht. Bevor wir Sie wieder Ihren Studien überlassen... Ich hätte
Interesse an Ihrem Wiener Manuskript.«
Dr.
Popp holte einen Stapel Blätter. Daktyloskopie- Verwertung von
Fingerabdrücken zu Identifizierungszwecken. Lehrbuch zum Selbstunterricht für
Richter, Polizeiorgane, Strafanstaltsbeamte, Gendarmen, stand auf dem
Deckblatt.
»Ich
hoffe, die Lektüre hilft mir, Polizeirat Franck endlich von der Effektivität
des Fingerabdruckverfahrens zu überzeugen«, sagte Richard.
Dr.
Popp schlug das Manuskript in Papier ein. »Vielleicht sollten Sie versuchen,
ihm die Sache in mehr als einem Satz zu erklären, Kommissar. Grüßen Sie
Wachtmeister Braun von mir.«
»Nicht,
daß Sie glauben, ich mißachtete Dr. Popps Arbeit«, sagte Richard, als sie
wieder auf der Straße waren. »Aber das Faszinosum Spektralanalyse und die
serumproduzierenden Uhlenhuthschen Stallhasen sind mir aus geschätzten zwei
Dutzend Vorträgen bereits hinlänglich bekannt.«
Paul
Heusohn lächelte. »Sie kennen Wachtmeister Braun?«
»Wir
haben uns achtzehn Jahre lang ein Büro geteilt. Woher kennen Sie ihn?«
»Es
gibt wohl niemanden im Quartier, der Herrn Braun nicht kennt. Sogar die Gauner
aus der Rosengasse haben Respekt vor ihm. Warum arbeiten Sie nicht mehr mit ihm
zusammen?«
»Weil
er am Freitag pensioniert wurde. Er hält Sie übrigens für einen würdigen
Nachfolger.«
Paul
Heusohn studierte angestrengt die vermoosten Fugen zwischen den
Pflastersteinen.
»Woher
wissen Sie, daß die Guajak-Probe umständlich ist?« fragte Richard.
»Aus
einer Detektivgeschichte, Herr Kommissar. Der Held hat in London nämlich eine
neue Untersuchungsmethode für Blutflecken erfunden, die viel besser ist als die
Guajak-Probe. Er benutzt dazu eine durchsichtige Flüssigkeit und weiße Kristalle.«
»Heißt
dieser Held zufällig Sherlock Holmes?«
Der
Junge nickte. »Finden Sie nicht auch, daß er ein wahres Genie ist?«
»Mhm«,
sagte Richard.
Um
viertel vor elf kehrten sie ins Polizeipräsidium zurück. In seinem Büro ließ
sich Richard mit dem Erkennungsdienst verbinden. Wie er vermutet hatte, war
Groß nicht daktyloskopiert worden. Er meldete Paul Heusohn für einen Besuch an
und ging anschließend zum Gericht, das gegenüber vom Polizeigefängnis lag.
Nichts
an dem mit roten Verblendziegeln und üppigem Fassadenschmuck verzierten Bau
wies auf seine Bestimmung hin. Das von Säulen flankierte Portal mit dem
darüberliegenden
Balkon
erinnerte eher an einen italienischen Palazzo als an ein preußisches
Justizgebäude, und die diabolisch grinsenden Fratzen über den
Erdgeschoßfenstern schienen Justitia zu verhöhnen.
Staatsanwalt
von Reden wartete vor dem Saal des Untersuchungsgerichts im Erdgeschoß. Durch
ein buntes Glasdach und offene Decken flutete das Licht bis in die
Eingangshalle und ließ die Muster der Terrazzoböden leuchten. Richard informierte
den Staatsanwalt über Dr. Popps Untersuchungsergebnisse. Eine Stunde später
meldete er Polizeirat Franck, daß gegen Groß die Untersuchungshaft angeordnet
worden war.
Auf dem
Weg zurück in sein Büro kam ihm Oberwachtmeister Heynel entgegen. »Guten Tag,
Kommissar«, sagte er jovial.
»Haben
Sie Zeit?« fragte Richard. »Ich muß mit Ihnen sprechen.«
»Sicher.«
Er folgte Richard ins Büro. »Womit kann ich dienen?«
»Es
geht um die Laterna Magica.«
»Haben
Sie mit einer der Damen Probleme?«
»So
kann man es nennen, ja.«
»Lassen
Sie mich raten: Fräulein Zilly?«
»Signora
Runa, Oberwachtmeister.«
»Das
kommt auf das gleiche heraus, oder?«
»Wie
darf ich das verstehen?«
Martin
Heynel grinste. »Genau so, wie ich es gesagt habe, Herr Biddling.«
Kapitel
11
Abendblatt Dienstag, 1. März 1904
Frankfurter
Zeitung und Handelsblatt
Unter
starker Beteiligung des Publikums erfolgte heute Vormittag um 11 Uhr die
Beisetzung der Leiche Lichtensteins auf dem Frankfurter
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