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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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das?«
    »Woher
soll ich das wissen, Herr Kommissar?«
    Er nahm
ihr den Brief ab. »Ich bin sicher, Sie wissen es ganz genau, gnädige Frau!« Als
sie schwieg, fügte er hinzu: »Das ist eins von mehreren anonymen Schreiben, die
ich von März bis Mai 1901 erhielt. Verbunden mit der wenig höflichen Aufforderung,
einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen, wenn ich in Zukunft Unannehmlichkeiten
vermeiden möchte. Das Strafgesetzbuch bezeichnet das als Erpressung.«
    Sie sah
ihn erschrocken an. »Erpressung? Sie machen einen Scherz!«
    »Sie
wären nicht die erste Dirne, die aus der Geschwätzigkeit ihrer Kunden Kapital
zu schlagen versucht.«
    »Aber
nein! Das kann doch nicht
    »Mit
einem Erbe wie dem von Ihnen behaupteten, hätten Sie es nicht nötig gehabt,
sich weiterhin von Männern gebrauchen und demütigen zu lassen!«
    Ihre
Hände verkrampften sich in ihrem Hut. »Was wissen Sie denn, aus welchem Grund
und welcherart ich mein Gewerbe ausübe.«
    »Sie
haben das Geld für den Kauf der Laterna Magica von Ihren wohlhabenden
Kunden in Hamburg und in Stuttgart erpreßt. Und weil die Katze das Mausen
nicht läßt, taten Sie es in Frankfurt weiterhin - bis Hermann Lichtenstein
Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Und dafür bezahlte er mit
seinem Leben.«
    Sie
sprang auf. »Sie sind ja vollkommen verrückt!«
    »Bleibt
die Frage, warum Sie sich Karl Hopf und Bruno Groß als Komplicen nahmen.«
    »Ich
habe Ihnen schon einmal gesagt, daß ich diesen Groß nicht kenne! Im übrigen
gibt es nicht den kleinsten Beweis für Ihre abenteuerliche Theorie.«
    »Am Hemdkragen
des Toten wurde ein Fingerabdruck sichergestellt. Ein Vergleich mit...«
    Sie
hielt ihm ihre Hände hin. »Tun Sie, was Sie für nötig erachten.«
    Richard
ließ sich mit der Wache verbinden; kurz darauf kam ein Polizeidiener herein.
Zilly setzte ihren Hut auf. »Sie werden es mir nachsehen, daß ich auf ein Auf
Wiedersehen verzichte, Herr Kommissar!«
    »Eine
Frage noch. Warum wählten Sie den Namen Signora Runa?«
    »Was
wollen Sie hören? Goethe? Schiller? Heine?« Sie blieb so dicht vor ihm stehen,
daß er ihren Alkoholatem roch. »Die berühmte Kurtisane von Venedig, die Doktor
Faust den magischen Ring stiehlt, war uns beste Inspiration! Fügt sich das
nicht wundervoll in Ihre Geschichte, Kommissar? Signora Lucrezia tanzt den
welschen Tanz, wo man einander an schamigen Orten fasset und wie ein
getriebener Topf herumhaspelt, durch die Zauberer aus Italien nach Frankreich
gebracht, voller unzüchtiger Bewegungen, daß unzählig viel Morde Mißgeburten
daraus entstehen. Welches...»
      »Es reicht!«
    »Welches
wahrlich bei einer wohlbestellten Polizei aufs allerschärfste zu verbieten ist. Einen schönen Tag noch, Herr Biddling.«
    Es war
früher Abend, als Richard das Präsidium verließ. Er hatte das
Daktyloskopie-Manuskript fertig gelesen, einen Bericht geschrieben, die
Herausgabe von Lichtensteins Kundenkartei verfügt und dies und das getan, in
der vergeblichen Hoffnung, das Ergebnis von Dr. Popps Fingerspurenvergleich
noch vor Dienstschluß zu erfahren.
    Auf der
Zeil herrschte geschäftiges Treiben. Unter Markisen kleiner Läden und vor den
Schaufenstern der Warenhäuser flanierten Passanten, aus einem Palais drang
Gehämmer und Geschrei, Männer in Arbeitskleidung eilten vorbei. Handkarren und
Pferdefuhrwerke verstopften die Straße, die Trambahn läutete und hielt. Ein
Zeitungsjunge verkündete lautstark Neuigkeiten aus dem Russisch-Japanischen
Krieg und pries einen sensationellen Bericht über Groß' Verhaftung an.
    Das
Warenhaus R. Könitz, ein kuppelgekrönter Renaissancebau, lag nicht weit von
der Hauptpost entfernt. In den Auslagen stellten Schaufensterpuppen die neueste
Damenmode zur Schau. Die Eingangshalle erstreckte sich über zwei Etagen; von
der Decke hingen schwere Lüster, zwischen Säulen und unter Arkaden waren
Kleider- und Möbelstoffe auf dunklen Holzkommoden und Verkaufstischen drapiert.
Unter den kritischen Blicken einer Dame rollte eine Verkäuferin einen blauen
Stoffballen auf. David Könitz stand auf der Galerie im ersten Stock. Er winkte
Richard nach oben. Kurz darauf saßen sich die beiden Männer in Davids Büro
gegenüber.
    »Wie
komme ich zu der seltenen Ehre deines Besuchs?« fragte David. Er trug einen
schwarzen Cutaway, eine grüne Seidenweste und einen farblich darauf
abgestimmten Langbinder. An seinem Hemd glänzten goldene Knöpfe.
    Richard
war sicher, daß Rudolf Könitz diesen Aufzug für einen

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