Hahn, Nikola
viergeschossigen, mit Renaissanceornamenten, Erkern und
präsentablen Baikonen ausgestatteten Mietshaus in der Königsteinerstraße.
Überrascht stieg Laura aus. Heiner Braun hatte recht: Es war ein nobles
Wohnquartier für einen Oberwachtmeister.
Martin
Heynel bemerkte ihren Blick und lächelte. »Ich hatte ein einziges Mal Glück in
meinem Leben: ein geschenktes Lotterielos, und es gewann.«
Seine
Wohnung lag im dritten Stock; er bat Laura in einen kleinen Salon. Die schweren
Möbel und die überreich drapierten Vorhänge schienen den Raum schier zu
erdrücken. Hinter
einer
orientalischen Mohrenstatue hing ein monströses Raubtierfell, auf einem
Vertiko stand antikes Schmuckgeschirr.
»Du
mußt ja ordentlich in der Lotterie gewonnen haben«, bemerkte Laura.
Er
grinste. »Wie du siehst, habe ich das Geld gut angelegt. Es reicht sogar für
ein Mädchen. Aber das hat heute seinen freien Tag.« Er nahm ihr das Häubchen ab
und löste ihr Haar. Seine Lippen berührten ihre Nase, ihren Mund, ihren Hals.
Laura atmete seine Haut und einen Hauch Tabak. Sie wollte sagen, daß sie es
nicht ertrug, nur seine Mätresse zu sein, daß sie sich ausgenutzt fühlte, daß
sie todunglücklich war. »Ich liebe dich«, flüsterte sie.
»Und
ich bin verrückt«, sagte er lächelnd. »Komplett verrückt nach dir.« Er knöpfte
ihr Kleid auf, nestelte an ihrem Mieder. »Ich habe gehört, du warst am Freitag
abend mit Wachtmeister Braun in Biddlings Büro.«
»Ja.
Warum?«
Seine
Lippen liebkosten ihre Brüste, seine Hände glitten zwischen ihre Beine. »War
etwas anders als sonst?«
Stöhnend
hielt sie sich an ihm fest. »Martin
»Bitte,
Liebes. Versuch dich zu erinnern.«
»Nein...
Nein, es war nichts.«
»Komm
schon, Laura! Denk nach!«
Sie
stieß ihn von sich. »Was soll das?«
»Du
wolltest Biddlings Tod aufklären, oder?«
»Was
hat der Zustand seines Büros damit zu tun?«
Seine
Finger wanderten ihren Arm entlang. »Vergiß es.«
Sie
knöpfte ihr Kleid zu. »Ich habe keine Lust mehr, für dich bloß Mittel zum Zweck
zu sein.«
»Laura,
bitte! Du verstehst das ganz falsch.«
»Ach?
Wie sollte ich es denn verstehen?«
Er
lächelte. »Deine Augen leuchten, wenn du wütend bist.«
»Was
wolltest du von Gräfin Tennitz?«
»Sie
hat mich im Präsidium angerufen und gebeten, sofort zu kommen. Und was wolltest
du von ihr?«
»Du
lügst! Sie ist krank und wollte nicht einmal mich empfangen.«
Er
streichelte ihr Haar. »Ich habe dir schon einmal gesagt, daß sie ein mieses,
kleines Spiel mit dir treibt.«
Sie
nahm seine Hände weg. »Es fragt sich, wer hier ein mieses Spiel treibt, Oberwachtmeister!«
»Wenn
ich meinen schützenden Arm von dir wegziehe, fällst du schneller in die Grube,
als dir lieb ist, Polizeiassistentin.«
»Ich
habe keine Angst vor dir.«
»Was
glaubst du denn, für wen es schlimmere Folgen hat, wenn unsere Liaison öffentlich
wird, hm? Ich werde behaupten, du bist eine Zuspätgekommene und hast mich mit
deinen Reizen so hartnäckig und hinterlistig umgarnt, bis ich gar nicht anders
konnte, als nachzugeben. Das ist zwar absurd, aber man wird mir glauben, schon
deshalb, weil man sich keinen Skandal leisten kann. Polizeirat Franck wird es
ein Vergnügen sein, dich zu entlassen. Eine Nachfolgerin wird er allerdings
kaum verhindern können. Und schon hat die Gräfin ihr Ziel erreicht.«
»Und
der arme verführte Oberwachtmeister ehelicht die wunderschöne reiche Vicki
Biddling, die ihm die Zuspätgekommene generös verzeiht. Sie gebärt ihm dankbar
ein paar Kinder, und er gibt überglücklich ihr Geld aus, und so leben sie in
trauter Eintracht, bis der Tod sie scheidet.«
Er
grinste. »Du hast recht. Wir haben beide ein gesteigertes Bedürfnis, daß unser
kleines Geheimnis ein Geheimnis bleibt.«
Laura
konnte nicht verhindern, daß ihr die Tränen in die Augen Schossen.
»Ich weiß
nicht, was in deinem Kopf vor sich geht! Aber was es auch ist, das mit uns ist
vorbei.«
Auf der
Straße bemerkte sie, daß sie ihr Häubchen vergessen hatte.
Georg
und Margarethe Biddling trafen am Sonntag nachmittag mit dem Zug aus Berlin
ein, und kaum waren sie im Haus, übernahm Georg das Regiment. Victoria war ihm
dankbar dafür. Sie hatte keine Kraft mehr, sich mit ihrem Vater wegen jeder
Kleinigkeit zu streiten.
Abends
kam Georg Biddling zu ihr in die Bibliothek. Das Sofa ächzte unter seinem
Gewicht. »Entschuldige, Kindchen, aber deinem Herrn Vater mußte ich leider
etwas die Meinung geigen. Was die
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