Hahn, Nikola
Beerdigung angeht, hat er nichts mehr zu melden.
Die Kosten übernehme samt und sonders ich.«
»Danke,
Georg.« Victoria setzte sich zu ihm. »Ich bin froh, daß du da bist. Und ich
glaube, Flora tut es auch gut.«
Er nahm
ihre Hand. »Mit Vicki wird es schon wieder. Morgen früh rede ich mit ihr, ja?«
»Hätten
wir bloß auf dich gehört.«
»Richard
hat meine Meinung selten interessiert.« Er lächelte. »Mein angeheirateter Sohn
war ein rechter preußischer Sturkopf, und wir hatten es nicht immer leicht
miteinander. Aber er war ein feiner Mensch.«
»Er
fehlt mir so sehr«, sagte Victoria leise.
Aus
Georg Biddlings sonst so fröhlichen Augen löste sich eine Träne. »Mir auch, Kindchen.«
Am
nächsten Tag kam Andreas Hortacker vorbei. Vicki weigerte sich, ihn zu
empfangen, und er saß lange mit Victoria und Georg Biddling zusammen.
Es
dämmerte schon, als Vicki abends ihr Zimmer verließ. Ihr Gesicht hob sich wie
eine Porzellanmaske vom Schwarz ihrer Haare und ihres Kleides ab.
»Wo
willst du denn hin?« fragte Victoria.
»Ich
fahre aus.«
»Nimm
bitte ein Mädchen mit, ja?«
»Du
bist nicht meine Mutter! Ich brauche mir von dir überhaupt nichts vorschreiben
zu lassen!«
Victoria
wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht. Sie wandte sich ab und hoffte, daß
ihre Tochter ihre Tränen nicht gesehen hatte.
Vicki
ließ sich zum Polizeipräsidium bringen und danach in die Königsteinerstraße. Martin
Heynel öffnete ihr die Tür. »Ich hab's doch gewußt, daß du ...« Er brach ab und
starrte sie an.
»Hattest
du jemand anderen erwartet?« fragte sie tonlos.
Er
schüttelte den Kopf und nahm ihre Hand. »Es tut mir so leid.«
»Ich
muß mit dir reden.«
Er führte
sie in den Salon und rückte ihr einen Sessel zurecht. »Woher weißt du denn, wo
ich wohne?«
»Dein
Kollege hat es mir gesagt.« Sie verzog das Gesicht. »Er war betrunken!«
Er
streichelte ihr Haar. »Wie geht es dir?«
Sie
kämpfte mit den Tränen. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, daß unter den
gegebenen Umständen eine Hochzeit nicht in Frage kommt.«
»Das
verstehe ich, Liebes.«
»Ich
weiß nicht, ob wir überhaupt...« Sie stutzte und hob Lauras Häubchen auf. »Was
ist das denn?«
Er nahm
es ihr lächelnd ab. »Mein Mädchen ist leider überaus liederlich. Ich werde sie
entlassen müssen.«
Sie
stand auf und versuchte, eine gleichmütige Miene zu machen. »Ich meine, in
Anbetracht der Umstände sollten wir uns besser nicht wiedersehen.«
Er
faßte ihre Hände. »Ich wollte ganz bestimmt nicht, daß du die Wahrheit auf
diese schäbige Weise erfährst, und ich mache mir schreckliche Vorwürfe.«
»Ich
habe ihn weggeschickt! Ich...« Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte.
»Ich kann nicht aufhören zu denken, daß er es meinetwegen getan hat. Daß ich
schuld bin.«
Martin
Heynel nahm sie in seine Arme. »Bitte, Vicki, glaube mir: Der Tod deines Vaters
hat nichts mit eurem Streit zu tun. Und auch nichts mit unseren Heiratsplänen.«
Sie sah
ihn aus rotgeweinten Augen an. »Woher weißt du das?«
»Wer
wütend ist, kann nicht zugleich verzweifelt sein, oder? Und dein Vater war sehr
wütend auf mich.«
»Warum
wollte er denn nicht, daß wir heiraten?«
Er
berührte ihre Wangen. »Weil er dich davor bewahren wollte, ein Leben zu führen,
das größtenteils aus Warten besteht.«
»Aber
wenn mir ein Mensch etwas bedeutet, warte ich doch gern auf ihn.«
»Er
glaubte, ich sei nicht gut genug für seine wunderschöne Prinzessin. Und er
hatte recht.«
»Martin!
Wie kannst du so etwas sagen!« Sie schlang die Arme um seinen Hals. »Ich liebe
dich doch so sehr.«
An das
Kgl.
Polizeipräsidium
Neue
Zeil 60
z. Hd.
des ermittelnden Beamten i.S. Ableben des Kriminalkommissars Biddling
Ich war
am Freitag, dem 17.6., frühmorgens mit einem Bekannten in der Stadt unterwegs.
Gegen 5 1/2 Uhr haben wir beobachtet, wie Herr Kriminalkommissar Biddling zu
zwei Männern in ein Automobil gestiegen und weggefahren ist. Herr Biddling ist
mir aus dem Mordprozeß Lichtenstein bekannt. Deshalb bin ich sicher, daß er es
war. Das Automobil stand an dem großen Torbogen in der Kronprinzenstraße. Mein
Bekannter sagt, es sei ein Wagen gewesen, wie ihn der Schriftsteller Bierbaum
für seine Reise von Berlin nach Sorrent benutzt hat. Auf jeden Fall war er rot.
Die beiden Männer hatten helle Staubmäntel und Lederkappen an. Ihre Gesichter
konnten wir wegen der Automobilmasken nicht erkennen.
Wir
halten es für unsere Pflicht, Sie
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