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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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ihre letztlich vergeblichen
Bemühungen, die Not zu lindern. »Was Paul auf sich lädt, ist unmenschlich. Ich
kann das auf Dauer nicht verantworten.«
    »Sie
sprechen von der Notwendigkeit einer festen Pflegerin oder Haushaltshilfe«,
sagte Victoria nach einigem Überlegen. »Wenn Sie es mit dem Armenamt regeln
könnten, würde ich Ihnen eins meiner Mädchen zur Verfügung stellen. Ich möchte
aber auf keinen Fall, daß der Junge davon erfährt.«
    »Sie
glauben ja nicht, wie froh mich Ihr Angebot macht.«
    Victoria
goß ihr lächelnd Kaffee nach. »Wissen Sie, es gab eine Zeit, in der ich um
alles auf der Welt mit Ihnen getauscht hätte.«
    »Wenn
es Sie interessiert, können wir bei Gelegenheit gerne über meine Arbeit
    »Was
wollen Sie hier?« kam Vickis Stimme von der Tür.
    »Guten
Abend, Fräulein Biddling«, sagte Laura freundlich. »Ich habe eine Unterredung
mit Ihrer Mutter.«
    »Und
worüber?«
    »Ich
glaube nicht, daß dich das etwas angeht!« sagte Victoria ungehalten.
    »Ganz
gleich, was Sie über Martin zusammenlügen, ich werde...« Ihr Gesicht wurde
käseweiß. »Hat er es Ihnen zurückgegeben?«
    »Was
denn?« fragte Laura verwirrt.
    Vicki
zeigte auf Lauras Häubchen. »Das hatten Sie in seiner Wohnung vergessen, nicht
wahr? Und wie zu sehen ist, nehmen Sie es bei einem gewöhnlichen Gespräch kaum
vom Kopf.«
    Laura wurde
rot. »Wenn Sie mit Herrn Heynel ein Problem haben, besprechen Sie es bitte mit
ihm.«
    Ohne
ein weiteres Wort verließ Vicki das Zimmer. Laura stand auf und verabschiedete
sich von Victoria. »Sagen Sie Ihrem Mädchen, sie soll sich im Laufe der Woche
bei mir im Polizeipräsidium melden.«
    »Dürfte
ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Fräulein Rothe?«
    Ihr
Gesicht wurde starr. »Es steht Ihnen frei, mich bei meinem Vorgesetzten
anzuzeigen. Wie Sie sicher wissen, darf ich niemanden lieben.«
    Victoria
fühlte plötzlich Mitleid. »Ich würde mich freuen, wenn wir in Kontakt bleiben
könnten.«
    »Ich
bin die falsche Person, das zu sagen«, sagte Laura leise. »Aber ich glaube
nicht, daß Ihre Tochter mit ihm glücklich werden wird.«
    »Ich
weiß«, sagte Victoria.
    Vicki
lag auf dem Bett und weinte. Als Victoria sich zu ihr setzte, drehte sie sich
brüsk weg. »Warum hast du sie hierher bestellt? Damit ich sehe, daß Martin mich
betrügt?«
    »Ach
was. Ich wußte ja nicht einmal, daß du dich mit ihm getroffen hast.«
    »Es
geht dich auch nichts an!«
    »Du
bist meine Tochter, Vicki. Ein Stück Papier ändert daran nichts.«
    »Ganz
gewiß hat sie Vater Schlechtes über Martin erzählt.«
    »Richard
hatte ernste Gründe, warum er gegen eine Heirat war. Und ich bitte dich...»
    »Ich
will die Lügen nicht hören, die dir diese Frau eingetrichtert hat.«
    »Nicht
Fräulein Rothe, sondern Herr Braun hat es mir gesagt.«
    »Ich
glaube dir kein Wort.«
    »Vicki,
bitte. Hör mir zu.«
    »Ich
hasse dich!« schrie sie.
    Victoria
verzichtete aufs Abendessen. Sie sprach mit Tessa über Paul Heusohn und ging in
ihr Zimmer. Mit Tränen in den Augen nahm sie Richards Hose vom Stuhl. Was
sollte die törichte Hoffnung, daß es helfen würde, wenn nur alles bliebe, wie
es war? Er war tot! Sie setzte sich aufs Bett und zog die obere Schublade von
Richards Nachtschränkchen auf. Zögernd nahm sie das Buch heraus, schlug es auf.
Der Anblick der Photographie schmerzte nach all den Jahren immer noch. Wie sehr
hatte sie versucht, ihm seine Schuldgefühle auszureden! Aber seine Angst, auch
seine zweite Frau im Kindbett zu verlieren, war größer gewesen als der Wunsch
nach einem Erben. Zerbrechlich sah Therese Biddling aus. Und wunderschön.
Vicki war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Vielleicht war es das, was immer
zwischen ihnen gestanden hatte. Victoria legte das Bild beiseite. Die untere
Schublade war leer. Als sie sie zuschob, spürte sie einen Widerstand. Sie zog
die Lade ganz heraus und fand darunter ein dickes Kuvert und drei Briefe. Der
erste war ein Geschäftsbrief einer Firma C. Moerwag aus Basel. Richard hatte
einen Kredit aufgenommen! Die beiliegende Rechnung aus dem Haus Lichtenstein
sagte ihr, wozu. Das harmlose Schreiben schien ihr schlimmer als alles andere,
was sie seit seinem Tod herausgefunden hatte. Wo hatte sie nur gelebt? Sie
schluckte ihre Tränen hinunter und betrachtete die
    steif
nebeneinandergesetzten Buchstaben auf dem zweiten Brief. Die Nachricht war kurz
und ließ sie erstarren.
    Sei
still in jener Öde Weben, das nicht Alleinsein ist- es sind die Geister

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