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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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Zeugenvernehmungen und den Tatortbefund Laura merkte, daß Becks
akribische Beschreibung dem Jungen zu schaffen machte. Bei den photographischen
Aufnahmen entschuldigte er sich und ging zum Fenster. Auch Laura hatte Mühe,
die Fassung zu wahren. Sie hoffte, daß Biddlings Frau diese Bilder nie zu
Gesicht bekommen würde. Sie blätterte weiter und studierte ein eingeheftetes
Kuvert, »Zu Händen des ermittelnden Beamten in Sachen Ableben des
Kriminalkommissars Biddling«, las sie leise vor.
    Paul
kam zurück. »Das muß der Brief sein, den Kommissar
    Beck
mir nicht zeigen wollte.« Er war im Begriff, den Bogen herauszunehmen, als sie
Schritte hörten. Laura wurde starr vor Schreck. Paul löschte die Lampe und
bedeutete ihr, sich hinter den Schreibtisch zu ducken. Durchs Fenster fiel Mondlicht,
das die Konturen der Möbel erkennen ließ. Die Schritte hielten inne. Sie sahen
einen schwachen Lichtschein unter der Tür. Die Klinke wurde gedrückt, und die
Schritte entfernten sich.
    »Wissen
Sie jetzt, warum ich vorgesorgt habe, daß wir nicht geklaut werden?« sagte Paul
Heusohn spöttisch.
    »Für
Ihr Alter sind Sie ziemlich ausgebufft«, erwiderte Laura.
    Er
grinste. »Wie sagt Sherlock Holmes so schön? Omne ignotum pro magnifco, Fräulein Rothe.«
    Sie sah
ihn ernst an. »Haben Sie eigentlich mal überlegt, daß Beck einen Grund haben
könnte, Sie nicht an die Akte zu lassen?«
    »Guten
Tag, gnädige Frau.«
    Als
Victoria seine Stimme hörte, stritten in ihr die unterschiedlichsten Gefühle.
Sie stellte das Buch zurück, in dem sie geblättert hatte. »Guten Tag, Herr
Hopf. Wie immer ohne Anmeldung.«
    Er
verbeugte sich vor ihr. »Verzeihen Sie. Längst hätte ich Ihnen meine Aufwartung
machen müssen. Aber Sie werden verstehen, daß die Umstände es nicht zuließen,
an der Beerdigung Ihres Mannes teilzunehmen.«
    »Sicher.
Immerhin hat er Sie ins Gefängnis gesteckt.«
    »Ihre
Zofe sagte, daß Sie sehr krank waren.«
    »Louise
übertreibt.« Sie zeigte aufs Sofa. »Trinken Sie einen Kaffee mit mir?«
    »Wenn
Sie mir dabei von Ihrer neuesten Lektüre erzählen?«
    »Sie
wird Ihnen nicht gefallen.«
    Er sah
den Kristall auf dem Tisch liegen und lächelte. »Inwiefern?«
    »Nur
der Irrtum ist das Leben, und das Wissen ist der Tod. Welches Wissen, Herr Hopf?«
    »Ich
habe nicht die geringste Ahnung, auf was Sie hinauswollen, gnädige Frau.«
    Sie
nahm zwei von Conan Doyles Büchern aus dem Regal. »Sherlock Holmes gibt eine
Demonstration. Faust eins, Studierzimmer mit Pudel«, sagte sie zynisch. »Wir
sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen, was sie nicht verstehen. Fürwahr,
Goethe trifft immer den Kern der Sache.« Hopf wollte etwas sagen. Victoria
winkte ab, schlug das zweite Buch auf. »Rache ist das deutsche Wort für
revenge; vergeuden Sie also nicht Ihre Zeit damit, daß Sie nach Miss Rachel
suchen!« Sie sah ihn wütend an. »Es wird Zeit, daß Sie mir erklären,
welches Spiel Sie spielen!«
    Er nahm
ihr die Bücher ab. »Gestatten Sie, daß ich Holmes antworten lasse?« Er
blätterte. »Es ist ein großer Fehler, Theorien aufzustellen, bevor man alle
Indizien kennt! Oder wie wär's damit: Ich werde Ihnen nicht viel mehr
über den Fall erzählen. Ein Zauberer bekommt keinen Applaus mehr, wenn er erst
seinen Trick verraten hat.«
    Sie
kämpfte mit den Tränen. Erschrocken sah er sie an. »Victoria! Was ist mit
Ihnen?«
    »Das
fragen Sie noch? Mein Mann ist tot, und Sie machen sich lustig darüber.«
    »Ganz
sicher nicht«, sagte er leise. »Ich weiß, wie es ist, den liebsten Menschen zu
verlieren.«
    Victoria
dachte an die Photographien von David, an die Unterlagen in Richards Nachttisch,
an Heiner Brauns Worte. Sie holte den anonymen Brief. »Es wäre freundlich, wenn
Sie mir sagten, wie und wann das Drama endet. Oder ist es etwa ein Lustspiel?«
    Er las
und schüttelte den Kopf. »Wer hat das geschrieben?«
    »Das
sollten Sie ja wohl am besten wissen.«
    »Ich
erinnere mich nicht, mit Ihrem verstorbenen Mann korrespondiert zu haben«,
sagte er verärgert.
    Er sah
nicht aus, als ob er log. »Und wer sonst sollte es getan haben?«
    Hopf
zeigte auf die Bücher. »Sie hatten recht: Holmes' Deduktionen sind ein
Konstrukt. Soll ich Ihnen sagen, wo der Fehler liegt?«
    »Bitte
beantworten Sie meine Frage.«
    »Das
ist die Antwort, gnädige Frau: Dr. Watson ist verblüfft, daß Sherlock Holmes bei
der ersten Begegnung sofort weiß, daß er aus Afghanistan kommt. Warum
eigentlich? Ganz davon abgesehen, daß die

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