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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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verneinte.
    »Man
könnte meinen, Sie betrieben eine Herberge für ledige Frauen«, sagte Laura
lächelnd, als die beiden gegangen waren.
    »Ledige
Frauen haben es eben schwer, eine angemessene Unterkunft zu finden.«
    Sie
wußte, was er meinte. Die Löhne von Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten
lagen um etliches unter denen ihrer männlichen Kollegen, und wenn sie nicht auf
die Hilfe ihrer Familie hoffen konnten, waren sie häufig gezwungen, sich in
    den
schlimmsten Absteigen einzumieten. So sehr Laura die strenge Hausordnung im
Schwesternheim gehaßt hatte, so war sie doch froh gewesen, nicht als
Untermieterin in einem Berliner Hinterhof leben zu müssen. Sie leerte die
Eierschalen in den Abfalleimer. Heiner stellte die gespülten Kaffeetassen ins
Regal. »Sie wohnen schon zwei Tage hier, und ich habe Sie nicht mal durchs Haus
geführt.«
    »Bislang
war es stets dunkel, wenn ich ankam«, entgegnete Laura.
    »Jetzt
ist es hell. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«
    Er
zeigte ihr den Hof mit Wäscheplatz, Brunnen und Abort, den Vorratskeller und
eine winzige Badestube im ersten Stock.
    »Am Tag
merkt man erst, wie düster es drinnen ist«, sagte Laura.
    »Nun
ja, die alten Laren mögen's gern schummrig.«
    »Wer?«
    Er
lächelte. »Sie haben die Ehre, in einem uralten Stückchen Frankfurt zu wohnen,
das unter einem besonderem Schutz steht: Unsere Ahnen vertrauten uns nicht nur
ihre Häuser, sondern auch ihre Geister an. Sie schlafen unter der Treppe und
knarren zuweilen im Gebälk.«
    Laura
lachte. »Seien Sie froh, daß ich nicht abergläubisch bin und beim ersten
nächtlichen Geräusch Reißaus nehme.«
    »Ach
was. Die Laren sind gute Geister. Und wenn es erst Sommer ist, werden Sie
entdecken, daß Sie das sonnigste Zimmer im Haus haben.« Er winkte sie nach
oben. »Sie haben den Garten noch nicht gesehen.«
    »Ist
das nicht die falsche Richtung?«
    »Warten
Sie's ab.« Er holte eine Kerze, und Laura folgte ihm neugierig in den dritten
Stock. Aus Fräulein Fricks Zimmer drangen Stimmen. Was gesprochen wurde, war
nicht zu verstehen. Eine Holzstiege führte zum Dachboden. Hintereinander
gingen sie hinauf. Die Bodenkammertür quietschte, als Heiner sie öffnete. Durch
eine Luke fiel spärliches Licht, zwischen den Balken waren Leinen gespannt,
auf denen Wäsche hing. In einer Ecke stand eine alte Seemannskiste. Ein Teil
des
    Dachbodens
war abgemauert und mit einer Lattentür verschlossen. Heiner blies die Kerze
aus und entriegelte die Tür.
    Laura
war so überrascht, daß ihr die Worte fehlten: Die Sonne schien auf zwei
Korbstühle und Töpfe mit Geranien, Lavendel und Rosmarin; dazwischen leuchtete
eine Kamelie. Ihre Blüten sahen aus, als seien sie aus Porzellan. Fasziniert
strich Laura mit den Fingerspitzen darüber.
    »Das
ist ein echtes Frankfurter Gewächs«, sagte Heiner stolz. »Und eine Sensation
dazu: Camellia Francofurtensis, die erste erfolgreiche deutsche
Kameliennachzüchtung. Die Ur-Mutter erblühte vor siebzig Jahren. Einen Tag vor
meiner Hochzeit gelang es mir, dem Enkel vom alten Gärtner Rinz einen Steckling
abzuluchsen.«
    »Sie
ist wunderschön.«
    »O ja.
Jedes Jahr trägt sie ein paar Blüten mehr. Helena liebt Kamelien.«
    Die
Zärtlichkeit in seiner Stimme rührte sie. »Haben Sie Kinder?«
    »Helena
und ich? Nein.«
    Es
klang traurig, und sie bereute die Frage. »Ich bin sehr froh, daß ich bei Ihnen
wohnen darf, Herr Braun.«
    »Helena
hat recht: Ganz uneigennützig war mein Angebot nicht.«
    Sie
lächelte. »Ich halte Sie gern auf dem laufenden. Polizeirat Franck hat mir
allerdings zu verstehen gegeben, daß er weibliche Ermittlungstätigkeit nicht
schätzt.«
    »Meine
Erfahrungen mit weiblicher Ermittlungstätigkeit sind hervorragend. Übrigens war
das hier früher mal ein Taubenschlag.« Er öffnete ein bis zum Boden reichendes
Fenster. »Möchten Sie auch die Außenanlage sehen?«
    Laura
dachte, er mache einen Scherz, aber als sie näher trat, sah sie eine Treppe,
die zu einem mit Brettern belegten Freisitz führte. Heiner half ihr hinauf. Vor
ihnen breitete sich ein Meer von Schieferdächern, Erkern und Schornsteinen aus.
Wie ein Wächter erhob sich darüber der Dom.
    »Was
für ein herrlicher Platz!« schwärmte Laura.
    »Die
Frankfurter sagen Belvederche: kleine schöne Aussicht. Sie finden
ähnliche Anlagen auf fast jedem zweiten Altstadthaus.« Heiner wies über die
Dächer. »Nikolaikirche, Paulskirche, Rathausturm. Nach unserem verehrten Herrn
Oberbürgermeister auch der

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