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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauer Angeline
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von Trauer fortspülen. Dabei sollte ich doch gerade jetzt glücklich sein.« Tränen traten über den unteren Rand ihrer Wimpern.
    Samuel Hahnemann griff ihre Hand und fühlte den Puls. Er sah in ihre Handflächen, in ihre Augen, tastete die Lymphen an ihrem Hals ab, klopfte auf die Brust und legte sein Ohr an ihre Lunge.
    Magdalena stand an der Tür, den Blick gesenkt, das Gesicht besorgt.
    »Es ist gut – vermutlich eine Reaktion auf die Arznei von gestern.«
    »So schnell und so heftig?« fragte Mélanie.
    »Manchmal passiert das. Der Körper befreit sich von dem, was ihn krank macht. Er sucht sich seinen eigenen Weg, und wir können ihn nur dabei unterstützen.« Er drückte liebevoll ihre Hand. »Das Fieber wird Sie heilen, genau wie die Tränen. Warten wir ab.«
    »Keine Blutegel?« Da war der Versuch eines Lächelns auf Mélanies Gesicht.
    »Keine Blutegel!«
    Hahnemann stand auf und drehte sich zu Magdalena um. »Die Marquise muß viel trinken. Abgekochtes Wasser, aber keinen Tee. Auch warmes Bier oder heißen Wein mit etwas Honig kannst du geben. Dann besorge ein Suppenhuhn, und ziehe mit etwas Salz und Wurzelgemüse eine starke Brühe davon. Wenn Madame Hunger bekommt, darf sie alles essen, worauf sie Lust hat. Aber keinen Holunder, keine Wadenwickel oder sonstige Hausmittel. Sollte sie sich schlechter fühlen, holst du mich sofort. Ansonsten …« Er sah Mélanie an und sagte sanft: »Ansonsten komme ich am frühen Nachmittag wieder, um nach Ihnen zu sehen.«
    Sie tauschten ein Lächeln. Dann fiel die Tür hinter Samuel Hahnemann ins Schloß.
    Als er wiederkam, schlief Mélanie. Sie hatte immer noch Fieber. Magdalena hatte es gemessen, inzwischen war es auf fast 41 Grad gestiegen. »Ist das denn nicht gefährlich bei einem Erwachsenen?« fragte sie schüchtern.
    »Das Fieber hilft heilen. Es darf nur nicht zu hoch werden. Darum müssen wir die Marquise genau beobachten. Du kannst ihr ab und zu ein kühlendes Tuch auf die Stirn legen. Steigt das Fieber über 41 Grad, machst du einen Wadenwickel und schickst nach mir. Aber ich bin sicher, bereits morgen geht es ihr besser. Es ist eine kleine Krise, ein Krieg gegen das, was sie von innen her auffrißt. Sie wird ihn gewinnen, denn sie ist stark. Ich gehe noch einmal fort, komme aber in etwa einer Stunde zurück.«
    Als Hahnemann zum dritten Mal an diesem Tag das Zimmer betrat, war Magdalena nicht da. Er stellte einen Stuhl ans Bett, setzte sich, fühlte Mélanies Stirn, nahm dann ihre Hand und fühlte den Puls.
    Sie schlug die Augen auf und sah ihn wie aus weiter Ferne an. Als sie ihn erkannte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
    »Daß Sie wieder da sind!«
    »Ich war vor einer Stunde schon da. Aber da haben Sie tief und fest geschlafen.«
    Mélanie fuhr sich rasch durchs Haar. »Ich muß schrecklich aussehen!«
    »Sie sind wunderschön, liebes Kind.«
    »Pfui – Sie lügen ja!«
    Samuel lachte. »Nein, ganz gewiß nicht. Sie sollten doch wissen: Schönheit ist nicht das, was uns aus dem Spiegel entgegenblickt.«
    Noch immer hielt er ihre Hand. Sie drückte sie an ihre heiße Wange und sagte: »Ich habe geträumt, daß ein Drache mich verschlingen wollte. Er spuckte Feuer nach mir, und ich brannte lichterloh. Dann hatte ich plötzlich ein Messer in der Hand. Ich versuchte ihn zu erstechen. Wir rangen miteinander, dabei verletzte er mich am Arm. Auch ich stach zu, aber seine Schuppen waren wie Schilde. Er lachte nur und spuckte wieder Flammen. Es war so schrecklich, ich fühlte mich so verloren!«
    Tränen quollen aus ihren Augen und zerplatzten auf dem Kissen. Sie schluchzte, ihr Weinen wurde immer heftiger. »Ich glaube, der Drache ist meine Mutter. Ach, es tut so weh! Warum nur hat sie mich nie geliebt? Warum hat sie mich aus ihrem Herzen verstoßen?«
    Dr. Hahnemann wischte mit seinem Taschentuch über ihre Stirn, dann trocknete er ihre Tränen.
    »Bitte entschuldigen Sie.« Sie nahm ihm das Taschentuch aus der Hand und putzte sich die Nase. »Ich verstehe gar nicht, was mit mir los ist – nie habe ich ein solches Aufheben um diese alten Geschichten gemacht. Schon als Kind habe ich den Schmerz in mir begraben. Wie hätte ich sonst überleben können? Bestimmt passiert mir das nur, weil wir gestern über meine Mutter gesprochen haben. Mein Gott, ich bin doch erwachsen!«
    »Es ist gut zu weinen.« Dr. Hahnemann strich ihr sanft über das Haar.
    Da ging die Tür auf, und Magdalena kam herein. Sie hatte eine Schüssel mit kaltem Wasser in den

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