Hahnemanns Frau
Händen, ein frisches Tuch über den Arm gelegt. Sie knickste und stellte die Schüssel auf dem Nachttisch ab. »Madame hat mich darum gebeten, sie zu waschen.«
Samuel Hahnemann nickte. »Hat die Marquise genug getrunken?«
»Ich gab ihr abgekochtes Wasser. Das warme Bier mochte sie nicht. Ein bißchen von der Brühe hat sie auch genommen.«
»Du machst das sehr gut, Magdalena.«
Wieder knickste die junge Frau. Ihre Wangen liefen rot an – ein solches Kompliment von Dr. Hahnemann machte sie verlegen.
Er ging zur Tür, nickte Mélanie zu. »Ich komme am Abend noch einmal.«
»Danke«, sagte sie.
Am Abend saß Mélanie bereits aufrecht im Bett. Magdalena war bei ihr und strickte an einem Strumpf. Als Hahnemann eintrat, stand sie schnell auf und legte ihr Strickzeug weg.
Er stellte ein Körbchen mit Zwetschgen auf den Nachttisch. »Die Zwetschgen sind aus unserem Garten. Und liebe Grüße und die besten Genesungswünsche von meinen Töchtern.« Mit einem kurzen Seitenblick auf Magdalena wechselte er ins Französische: »Comment allez-vous? Wie geht es Ihnen?«
»Oh – merci. Ça va déjà beaucoup mieux. Der Rücken tut mir weh vom Liegen, aber das Fieber ist nicht mehr ganz so arg. Auch die Kopfschmerzen und das Stechen im Bauch haben nachgelassen.«
»À merveille – wunderbar! Und wie geht es der Seele?«
Als hätte er auf ein Knöpfchen gedrückt, traten Mélanie sofort Tränen in die Augen. »Ich weiß nicht, warum ich nicht aufhören kann zu weinen. Ich schäme mich so …«
Hahnemann drehte sich zu Magdalena um. »Bitte bringen sie mir ein gut gespültes Glas, halb voll mit kaltem, abgekochtem Wasser.«
Sie ging und kehrte bald zurück. Samuel Hahnemann zog ein Fläschchen aus der Tasche, schlug es einige Male kräftig gegen den Handballen, öffnete es, ließ zwei Globuli aus dem Fläschchen in das Glas gleiten und stellte dieses dann auf den Nachttisch.
Er sah Mélanie an. »Ich gebe Ihnen Natrium muriaticum. Wir werden sehen, wie Sie sich danach fühlen.« Und zu Magdalena sagte er: »Alles bleibt wie besprochen. Zum Trinken bekommt Madame nur abgekochtes Wasser, warmes Bier oder in Maßen auch heißen Wein. Zum Frühstück, wenn sie möchte, eine Tasse Getreidekaffee. Morgen komme ich wieder. Sollte es Madame in der Nacht wider Erwarten schlecht gehen, muß ich geholt werden – du bleibst doch hier bei ihr?«
Magdalena nickte, dabei sah sie neugierig auf das Fläschchen, das wieder in Hahnemanns Tasche verschwand. Zu gerne hätte sie gefragt, was das für ein Medikament war, das wie ein Zauber auf die Marquise zu wirken schien. Am Morgen hatte sie noch befürchtet, Madame könnte sterben, nun saß sie bereits wieder aufrecht im Bett!
Dr. Hahnemann hielt das Glas hoch und kontrollierte, ob sich die Globuli aufgelöst hatten. Dann ließ er das Wasser kreisen, nahm einen Löffel und gab Mélanie einen Schluck von dieser Medizin.
Er erhob sich und legte seiner Patientin eine Hand auf den Arm. »Ich wünsche Ihnen gute Besserung, Madame. Wir sehen uns morgen.«
»Ja, morgen!« Sie lächelte. »Je suis très heureuse!«
Mélanie saß in ihrem dunkelblauen Hauskleid am Fenster und blickte erwartungsvoll auf die Straße. Plötzlich erkannte sie seine kleine Gestalt im graubraunen Mantel. Den Zylinder hatte er etwas zu tief in die Stirn gezogen, der Gehstock schwang bei jedem Schritt locker nach vorne. Sie flüsterte seinen Namen: »Samuel … Doktor Samuel Hahnemann!« Ihr Herz klopfte dabei schneller.
Etwa auf der Hälfte der Bernburger Straße wechselte er die Seite. Ein Vis-à-vis-Wagen, von einem Schimmel gezogen, fuhr an ihm vorbei. Die Leute, die in ihm saßen, hatten dicke Decken über die Knie gezogen, der Kutscher trug einen schweren Umhang aus Wollstoff. Es war erst Mitte Oktober, aber zu so früher Stunde, wenn die Sonne noch gegen die Morgennebel ankämpfte, konnte es bereits empfindlich kalt sein.
Bei einem kleinen gelben Haus mit einem Erker im ersten Stock blieb Samuel Hahnemann stehen, griff in seine Tasche und zog eine Uhr an einer goldenen Kette heraus. Nachdem er einen Blick darauf geworfen hatte, steckte er sie wieder ein und ging weiter.
Nun schien es Mélanie, als ob er pfeifen würde. Wie ungehörig! Wenn Luise und Charlotte das wüßten! Sie lächelte bei dem Gedanken. Seine Töchter schienen ihn gehörig unter der Fuchtel zu haben.
Inzwischen war er so nahe, daß sie die weißen Locken erkennen konnte, die unter dem Zylinder hervorlugten. An der Kreuzung zur
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