Haie an Bord
Lederwürfel und legte die Hände vor die Augen.
»Er ist aufnahmefähig wie ein Schwamm«, sagte er. »Sein Wahnsinn frißt alles in sich hinein. Mein Gott, ist der Mann gefährlich! Man kann nur beten, daß alle seine Pläne durch einen Handstreich der Regierungstruppen vernichtet werden.«
»Und die Frauen und Kinder gehen auch dabei zugrunde, das ist die größte Schweinerei«, sagte Dr. Bender. »Es wiederholt sich alles auf der Welt mehrfach: Ein einziger Mann kann ein ganzes Volk vernichten. Zum Kotzen!«
Eve Bertram schlief jetzt bei Wolff im Zimmer. Man hatte ihr Bett hinübergeschafft, aber sie lagen eng aneinandergeschmiegt nur in Wolffs Bett, jede Minute des Alleinseins genießend, vielleicht in der dumpfen Ahnung, daß nur die Gegenwart zu übersehen war, aber nicht die Zukunft … nicht der nächste Tag, nicht einmal die nächste Stunde.
Eines Nachts wachte Wolff auf, von einem unerklärbaren Gefühl aufgeschreckt. Eve lag in seiner Armbeuge, sie schlief fest, tief atmend wie ein glückliches Kind … aber vor ihm, in der Dunkelheit, am Fuß des Bettes, ahnte er die Gegenwart eines Menschen. Es war ihm, als sei dort die Finsternis noch schwärzer.
Er hielt den Atem an, von einer wahnsinnigen Angst abgewürgt. Dann hob er langsam den Kopf, um Eve nicht zu wecken, und stützte sich mit dem linken Arm auf.
»Was wollen Sie, Hasna?« fragte er leise.
Aus der Schwärze antwortete ihm ein tiefer Atemzug.
»Ich fresse mich voll an Ihrem Glück, Doktor.« Der Emir rührte sich nicht. »Fast jede Nacht stehe ich hier und überlege, ob ich Sie nicht töten soll. Sie halten einen Engel in den Armen.«
»Ich weiß es. Aber mein Tod nützte Ihnen gar nichts. Sie würden dann zwar Eve besitzen … aber nur als Leiche. Das wissen Sie ganz genau.«
»Es ist der einzige Grund, warum Sie weiterleben. So kann ich Eve jeden Tag sehen und auf ihr Kommen warten, wie alles Leben auf die Sonne. Ich brauche diesen Anblick, ich habe mich daran gewöhnt, ich trinke ihn wie Wasser.« Hasna Mahmud kam näher. Er beugte sich über das Bett, starrte die schlafende Eve an und richtete sich wieder auf. Wolff hatte seinen Arm fester um sie gedrückt … sie murmelte im Schlaf und rollte sich mehr zusammen.
»Doktor, um einer solchen Frau willen gäbe ich es auf, Revolutionär zu sein.«
»Trotzdem bekommen Sie sie nicht.«
»Viel Blut könnte gespart werden.«
»Reden Sie nicht weiter!«
»Doch! Ich will Sie in einen humanitären Konflikt stürzen. Sie können Hunderte, vielleicht Tausende von Menschenleben retten, wenn Sie Eve dagegen eintauschen.«
»Das ist doch Wahnsinn! Hasna, sehen Sie denn das nicht selbst?«
»Ich sehe nur die schönste Frau, die Gott geschaffen hat. Sie gehört mir und gehört mir doch nicht. Das ist Wahnsinn, Doktor! Jetzt überlegen Sie einmal …«
Hasna Mahmud wurde wieder von der Dunkelheit verschluckt. Die Tür klappte leise – Dr. Wolff war mit Eve allein. Er legte sich zurück, küßte Eve auf die geschlossenen Augen und sagte mit bebender Stimme: »Nie, Eve. Nie! Mein Gott, das hier ist wirklich die Hölle –.«
In der sechsten Nacht nach Salims Angebot, ihnen zur Flucht zu verhelfen, hörte Wolff, aus dem Schlaf aufschreckend, ein kurzes, gedämpftes Getöse im Flur und dann einen dumpfen Fall. Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen, und trübes Öllampenlicht fiel ins Zimmer. Salim stand auf der Schwelle und winkte hastig.
»Schnell, Doc, schnell. Alles steht bereit! Kommen Sie!«
Im Flur humpelte Fuad Abdallah von Zimmer zu Zimmer und schloß sie auf. McHolland und Dr. Bender stürzten auf den Gang und stolperten über die langgestreckte Gestalt des Wächters, der auf dem Boden lag. Bender bückte sich, aber der Dolchgriff, der dem Mann zwischen den Rippen stak, machte alle ärztliche Hilfe sinnlos.
»Mußte das sein?« fragte Bender halblaut.
»Ja, Doktor.« Fuad, das Bein noch in einem dicken Verband, humpelte vor ihm her. »Nichts ist sicherer als ein Toter.«
»Verdammt, ein Leben ist bei euch nichts wert, nicht wahr?«
»Es geht um Ihr Leben, Doktor! Was ist das wert?«
»Das ist eine gemeine Frage, mein Sohn.« Dr. Bender nahm Eve in Empfang, die Wolff aus dem Zimmer schob, McHolland rannte noch einmal in sein Zimmer zurück … er hatte seine Golfmütze und seine Pfeife vergessen. Ohne sie war er kein Mensch.
»Was ist mit Abels?« fragte Wolff. »Salim, alle oder …«
»Der Oberleutnant ist schon bei den Kamelen, Doc.« Salim blies die Öllampe aus. Die
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