Haie an Bord
Vogelfreien habe ich dem Mistkerl von Emir nie abgenommen. Aber es stimmt … Es ist verwirrend.«
Dr. Wolff war nervös. Er hatte Eve im Krankenhaus zurücklassen müssen. Sie saß bei Abels am Bett und wartete darauf, ob er weiterlebte oder starb. Hasna Mahmud hatte gesagt:
»Nehmen Sie sie dieses Mal nicht mit, Doktor. Sie werden es mir danken. Außerdem –«, er entblößte beim Lächeln seine weißen, raubtierhaften Zähne –, »stehe ich neben Ihnen. Das ist es doch, nicht wahr?«
»Ja«, hatte Wolff geantwortet. »Ich überlege schon die ganze Zeit, was geschehen wäre, wenn Abels nicht auch den Gedanken gehabt hätte, zu Eve zu schleichen …«
»Man soll über Zurückliegendes nicht viel Worte verlieren.« Hasna Mahmud hatte sich auf sein Pferd geschwungen. »Die Gegenwart ist wichtig und der erste Schritt in die Zukunft … weiter können wir nicht blicken.«
Nun standen sie unter dem Zeltdach, der Platz vor ihnen war leer bis auf eine Art Galgen und ein großes Brett, das mit spitzen Holzpfählen gespickt war wie ein indisches Fakirbett. Dr. Bender schien zu ahnen, welches Fest ihnen bevorstand, und faßte Hasna Mahmud an seinem weißen, goldbestickten, innen mit blauer Seide gefütterten Mantel.
»Sie glauben doch nicht, daß wir das mit ansehen?« sagte er heiser.
»Sie werden müssen.«
Dr. Bender wandte sich an Wolff und McHolland. »Sie stehen hier herum wie I-Männchen am ersten Schultag!« schrie er. »Wissen Sie denn nicht, was man uns vorsetzen will? Sehen Sie den Galgen da, das Stachelbrett? Lord, wenigstens Sie müßten es wissen … Auch die indischen Rebellen waren Künstler darin …«
McHolland war fahl im Gesicht geworden. Sein Gesicht bestand nur noch aus Runzeln, als schrumpfe es in der sengenden Sonne zusammen.
»Sie können ihn nicht hindern«, sagte er tonlos.
»Nein, wer kann das?« Der Emir machte eine weite Handbewegung. »Das ist mein Volk! Das sind meine Krieger. Ein winziger Haufen, aber mit brennenden Herzen. Man nennt uns Rebellen, Guerillas, Fanatiker … und wir sind Menschen, die niemand haben will. Wir kämpfen für ein freies Dhufar, frei von der Regierung von Oman, anerkannt von Saudi-Arabien, Südjemen und Hadramaut. Aber niemand unterstützt uns, nicht einmal der Sultan von Dhufar, dem wir ein eigenes Land schenken wollen, weil es unsere Heimat ist. Er sitzt in Salala und wartet ab … mit einem Auge bei uns, mit dem anderen Auge bei der Regierung von Oman. Wer gewinnt: die vogelfreien Rebellen oder die Regierungstruppen von Oman? Er verrät uns nicht an die Regierung, denn keiner kann ihm nachweisen, daß er weiß, wo wir leben … aber er unterstützt uns auch nicht. Er wartet nur. Wenn Benzin, Öl, Waffen und Munition bis nach Hissi Maksa kommen … es geschieht auf einsamen Wüstenwegen. Wir sind ganz allein auf uns gestellt. Eine illegale Kampftruppe für ein freies Dhufar … für eine Utopie, wie alle sagen. Auch der Sultan, nach außen hin.«
»Und warum erzählen Sie uns das alles?« fragte Dr. Bender.
»Weil wir einen Fehler gemacht haben. Wir haben das Schiff gekapert, wir haben Sie als Geiseln mitgenommen, die Welt sollte wissen, daß irgendwo in der Wüste Menschen leben, die eine Idee haben, eine politische Idee. Aber dadurch – durch zwei Funksprüche – sind wir, die lebenden Toten, die überall Gesuchten, aufgetaucht. Man konnte unseren Sender nicht anpeilen, dazu war die Zeit zu kurz, aber man hat jetzt konkrete Vorstellungen. Seit drei Tagen sind Regierungstruppen aus Oman unterwegs, um die Berge von Jabal Qara und Bait Kathir durchzukämmen. Sie glauben, wir säßen dort, in der Nähe der Küste … hier, mitten in der Wüste, vermutet uns niemand. Aber wir hatten einen Verräter unter uns. Für tausend arabische Pfund war er bereit, seine Brüder zu verkaufen. Genügt das, Dr. Bender?«
»Ein Mann, so völlig außerhalb des Rechts, hat kein Recht, zu verurteilen!« sagte Dr. Bender.
»In der Wüste denkt man anders. Man wird uns nie verstehen.«
»Das stimmt genau!« sagte McHolland heiser. »Warum stellen Sie diesen Irrsinn, Rebell gegen alle zu sein, nicht ein? Sehen Sie sich diese Frauen und Kinder an. Was wird aus ihnen, wenn die Truppen aus Oman dieses Hissi Maksa entdecken? Wenn Ihr Sultan von Dhufar – auch aus diplomatischen Gründen – Sie nicht mehr deckt und preisgibt?«
»Dann werden wir alle sterben.«
»Sie Narr!« sagte McHolland laut. »Sie Übernarr!«
»Aber wir werden nicht vernichtet werden.« Hasna
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