Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
einen klingelte, war der andere unpraktischerweise auch schon da. Das passte dem Hauptkommissar nicht in den Kram, der lieber beide einzeln verhört hätte. Aber das Gespräch war denn auch sehr schnell beendet. Er hatte sich kaum vorgestellt, da präsentierten die beiden ihm auch schon ein lückenloses Alibi vom Feinsten: Sie waren nicht in der Stadt gewesen, sondern bei einem Biker-Treffen in Teltow. Dutzende von Zeugen, mit denen sie die Nacht durchgemacht hatten. Namen und Telefonnummern hatten sie schon aufgeschrieben.
„ Die waren echt gut vorbereitet“, brummte Fabian. „Wussten genau, was ich wollte. Na ja, ist ja auch kein Wunder, zumindest den Volksmund können auch solche Typen noch lesen.“
„ Und die Sache stimmt?“ Lisa war enttäuscht. Auch wenn sie das Motiv nicht wirklich gesehen hatte, so wäre sie überglücklich gewesen, die beiden Männer einzulochen.
„ Denke schon. Hoffmann hat fünf von den Typen angerufen, alle bestätigen kompromisslos. Einer konnte sogar ein Foto von der Nacht rübermailen, wie sie alle in Unterhosen um so ein Lagerfeuer rumtanzen.“
„ Ohh! Das will ich sehen!“
„ Glaube mir, das willst du nicht.“
Lisa seufzte. „Also, zusammengefasst: Wir haben kein Motiv, keine Verdächtigen, keine Spuren.“
„ Was ist mit dem Schuhabdruck?“
„ Die kümmern sich drum. Aber selbst wenn das was bringt, im Moment hat das keinen Wert.“
Fabian, der in der Nähe wohnte, bestellte sich noch ein Weizen. Lisa musste noch fahren, so war es für sie ein Capuccino.
„ Mit Milch oder Schlagsahne?“ wollte der Kellner wissen.
„ Milch“, antwortete Lisa. Woher kam eigentlich plötzlich diese Frage? Seit wann wurde denn Schlagsahne auf den Espresso gekleckert? Angeblich eine Angewohnheit der Ostgoten, die aufgeschäumte Milch für einen billigen Ersatz halten. Diese Aufschäumdinger gab es halt nicht in der DDR, gar nicht zu reden von professionellen Kaffeemaschinen. Oder von Kaffee. Na ja, den gab es schon des Abundzuneren. Was das wohl für ein Leben war, ohne täglichen Kaffee? Lisa konnte sich das überhaupt nicht vorstellen, so wenig wie Sven bei Kräutertee oder Fabian bei Bier. Trotzdem hatten die Leute irgendwie gelebt, und wahrscheinlich nicht einmal schlecht. Lisa fiel wieder ein, dass Georg Nielsen aus der DDR stammte. Wie sie inzwischen wusste, hatte er nach der Wende als Handelsvertreter angefangen und konnte als solcher durch die ganze Welt reisen – ein Traumjob für jeden Ostdeutschen, wie sie vermutete. Offenbar hatte er dann im Iran Leily kennengelernt, ihr bei der Flucht vor ihrer Familie geholfen und geheiratet. Das hatte ihn seinen Job gekostet, weil er Einreiseverbot im Iran erhielt, wo der wichtigste Handelspartner seiner Firma saß. Er hatte seinen hochbezahlten Job aufgegeben für die Liebe. Eine wunderschöne Geschichte, wie Lisa und wohl jede Frau auf diesem Planeten fand. Die Art von Geschichten, die sie immer wieder an die große Liebe glauben ließ, auch wenn sie schon so oft vom Gegenteil überzeugt worden war.
Verflucht seien diese Geschichten!
„ Was hast du denn?“
Lisa schreckte hoch. „Was?“
„ Du machst plötzlich so ein fieses Gesicht“, informierte sie Fabian.
„ Ach, ich hab nur nachgedacht.“
„ Über den Fall?“
„ Über die Liebe.“ Lisa war zu müde zum Lügen.
„ Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“
Lisa grinste ihren Kollegen freudlos an. „Liebe ist scheiße.“
Fabian glotzte sie an. „Im Ernst?“
„ Ja.“
„ Und dieses Gutachten stützt sich auf was?“
„ Auf die einfache Tatsache, dass sie ständig nur scheitert. Vielleicht geht die Hälfte aller Ehen kaputt, aber bei der Zahl der gesamten Beziehungen, die irgendwann mal auf Liebe basierten, sind es etwa 99 Prozent. Übern Daumen.“
„ Könnte hinkommen, ja.“
„ Warum sich also immer die Mühe machen?“
„ Ja, warum?“
Lisa funkelte ihn an. „Verarsch mich nicht!“
„ Nein“, sagte Fabian, „ich höre dir interessiert zu. Das hört sich bei mir fast genau so an wie das Verarschen, aber es unterscheidet sich um einen Viertelton.“
„ Na fein. Also zum Mitschreiben: Eigentlich wissen wir ja, dass es die ewige Liebe nicht gibt. Aber wir denken ständig: Es gibt ja Ausnahmen, und vielleicht bin ich eine von ihnen. Und deshalb versuchen wir es ständig aufs Neue.“
„ Was versucht ihr?“
„ Wir experimentieren mit der ewig gleichen Versuchsanordnung namens Liebe. Wir suchen uns einen Mann, projizieren
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