Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
in ihn alle unsere Erwartungen, blenden seine Unzulänglichkeiten vorübergehend aus. Dann spulen wir das Programm ab: Essen gehen, tanzen gehen, ins Kino gehen, ins Bett gehen. Häufig treffen, anrufen, über den Tag reden. Es ist immer derselbe Ablauf, immer.“
Fabian nickte. „Richtig. Wie am Geldautomaten.“
„ Das ist halt die westliche Standard-Prozedur. So ähnlich wie ein Rezept zum Kuchenbacken. Bestimmte Zutaten zu einer bestimmten Zeit zusammenmixen. Und dann ab in den Ofen, der hier die feste Beziehung symbolisieren soll.“
„ Schüttelst du das gerade aus dem Handgelenk?“
Lisa war gut in Fahrt und hörte nicht auf den Mann. „Dann geht es los mit Kurzurlauben, längeren Urlauben. Man geht zusammen auf Feste und repräsentiert für Freunde und Familie den festen Partner. Dann zieht man zusammen. Wenn das gut geht, wird verlobt und geheiratet. Dann hat man die Erwartungen der Gesellschaft erfüllt, abgesehen von Kindern, die natürlich auch nach spätestens zwei Jahren auf der Bildfläche erscheinen müssen.“
„ Und dann?“
„ Dann geht es los. Romantik, falls je vorhanden, ist perdu. Alltagsstress, Streitereien, Routine im Bett, Langeweile. Und das ist es letzten Endes, worauf es von Anfang an hinauslief, schon beim ersten Kennenlernen in irgendeiner Disco oder Kneipe oder durch eine Kontaktanzeige oder auf Mallorca. Und das ist es, wonach wir Frauen uns sehnen. Oder sehnen sollten.“
„ Und Männer auch“, pflichtete Fabian bei.
„ Und tut ihr das?“
„ Häh?“
„ Sehnt ihr Männer euch nach diesem Leben?“
„ Ihr Frauen etwa?“
„ Nein!“ schrie Lisa fast. Einige Gäste sahen sich nach ihr um, aber es war ihr egal. „Das wollen wir gar nicht!“
Fabian nahm ihre Hand und legte sie unter seine, um sie milde zu stimmen. Das wirkte, wie jedes Mal, wenn er sie anfasste. Sie war sofort butterweich.
„ Lisalein, wir Männer auch nicht“, sagte er ruhig. „Wir wollen eigentlich mit einer unbegrenzten Zahl an Frauen schlafen. Immer wieder eine neue, damit es nicht langweilig wird. Eine Ehefrau brauchen wir zur Aufzucht unserer Erben und zur Haushaltsführung. Und Männer wie ich, die weder Wert auf einen Erben noch auf einen gepflegten Haushalt legen, brauchen sie überhaupt nicht.“
„ Nur zu“, maulte Lisa, „halt dich bloß nicht künstlich zurück, sag ruhig die Wahrheit und red nicht drum herum.“
„ Der einzige Grund“, fuhr Fabian fort, „warum Männer heiraten, lautet: Bequemlichkeit.“
Lisa wurde still. So uneingeschränkt wollte sie gar nicht bestätigt werden. Im Gegenteil, gerade wurde ihr klar, dass sie nur deshalb so losgelegt hatte, damit Fabian ihr widersprach. Aber da hatte sie sich wohl gründlich verrechnet.
„ Irgendwann wird man als Mann zu alt, um noch ständig den Weibern nachzurennen“, erklärte Fabian. „Der Job schafft einen, man hat gerade noch Zeit für Fußball und ein Bier mit den Kumpels. Da will man nicht mehr auf Aufriss gehen. Also sucht man sich ein Weibchen, möglichst fünf bis zehn Jahre jünger, und schleppt sie aufs Standesamt. Damit hat man eine gewisse Sex-Garantie, ohne sich großartig anstrengen zu müssen. Nach einer Weile ist es nicht mehr so prickelnd, aber man kann ja irgendwie seine Phantasie auf Trab halten mit Hilfe diverser pornographischer Erzeugnisse und Produkte aus dem Beate-Uhse-Katalog. Dieser Katalog dürfte das wichtigste Element beim Erhalt der meisten deutschen Ehen sein.“
Da musste Lisa doch wieder grinsen.
„ Abgesehen natürlich“, fortfuhr Fabian, „von Geliebten und Nutten.“
Und schon war Lisas Grinsen wieder weg. „Du meinst, alle Männer betrügen ihre Frauen?“
„ Klar. Nicht jeder hat eine feste Freundin nebenbei, aber was meinst du, wovon die ganzen Prostituierten leben? Sex kann eigentlich jeder haben, spätestens wenn er seine Ansprüche zurückschraubt. Man muss nicht dafür bezahlen, es sei denn, es darf keiner davon erfahren – weil man verheiratet ist. Ehemänner sind die Hauptkundschaft. Und warum auch nicht, solange sie Vorsicht walten lassen. Die Ehe bleibt intakt, und das ist alles, was die Frauen wollen, oder?“
Jetzt hau ich ihm gleich eine rein , dachte Lisa. Sven hatte völlig recht.
„ Nein, Fabilein“, antwortete Lisa beherrscht, „das wollen wir nicht. Wir wollen, dass der Typ, dem wir unser ganzes Leben widmen, dasselbe für uns tut. Wir wollen keine Fassade, wir wollen echte Partnerschaft. Und Treue. Und Ehrlichkeit.“
Fabian zuckte mit
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