Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
Ihnen natürlich unser Beileid aussprechen für den Verlust Ihres Kollegen.“
„ Häh?“ machte Lobsang. „Ach so, ja. Klar. Danke. Ist ein großer Verlust. Werden ihn vermissen. Morgen gibt’s eine großen Nachruf und natürlich sein Bild, aber wahrscheinlich nicht auf Seite eins. Übrigens hab ich gleich ein Vorstellungsgespräch mit seinem designierten Nachfolger. Show must go on, right?“
„ Mais naturelement “, sagte Fabian.
„ Wie bitte?“
„ Nicht so wichtig.“
Lisa sah sich Lobsang genauer an. Sie hatte ihn schon ein paar Mal im TV gesehen und ihn spontan in die Top Ten der ekeligsten Männer Deutschlands eingereiht. Auch Christiane und Rosie warne jedes Mal entsetzt, wenn sie sein aufgedunsenes, verschwitztes Gesicht sahen, das sich hinter einer teuren Schildpattbrille verbarg, für die eine hundert Jahre alte Kreatur ihr Leben gelassen hatte. Die dünnen schwarzen Haare, die er sich nach hinten geölt hatte, weil er sich anscheinend einredete, so sein desaströses Äußeres zu entschärfen, verschlimmerte nur den Gesamteindruck, der sich jedem Menschen sofort in einem einzigen Wort offenbarte: schmierig.
Wenn der ausrutscht, knallt er glatt durch die Glaswand nach draußen , dachte Lisa angewidert.
Die Tür schwang auf, und Frau Olm, Frankensteins letztes Verbrechen, trug eine Kaffeekanne und drei Tassen auf einem Tablett hinein. Sie stellte ihre Ladung wortlos auf dem Schreibtisch ab und verzog sich wieder. Kurz vor dem zuknallen der Tür schnauzte sie noch ihren Chef an: „Vergessen Sie nicht Ihren Termin gleich mit Herrn Fechner.“
Seufzend nahm sich Lobsang des Kaffees an und füllte die Tassen. Lisa wunderte sich, dass ihm die Kanne nicht aus der Hand flutschte.
„ Tut mir leid“, sagte das Schweißmonster, „aber sie hat weder Milch noch Zucker gebracht, und ich hab echt keinen Nerv, mich schon wieder mit ihr anzulegen.“
Die beiden Kommissare versicherten ihre Vorliebe für schwarzen Kaffee und bedienten sich. Das Gebräu war fürchterlich, und beide setzten schnell ihre Tassen ab. Lobsang jedoch trank einen großen Schluck und schien sich gar nicht daran zu stören, dass seine Sekretärin ihm anscheinend seit Jahren in den Kaffee urinierte.
„ Sie hat aber recht, ich hab nicht viel Zeit. Walter Fechner ist in fünf Minuten angesagt, wir besprechen sein Exklusiv-Interview.“
Walter Fechner war einer der führenden Köpfe der lokalen Rechten. Er hatte einen besonders ausgekochten Mix aus Berliner Lebensart und Ausländerhass zusammengerührt, das Rezept hatte den Namen „Berlin Zuerst“. Die Abkürzung BZ hatte zu einem Rechtsstreit mit der gleichnamigen Zeitung geführt, das Gericht hatte die Verwechslungsfahr jedoch als „relativ gering“ eingestuft. Die wesentliche Botschaft lautete: Berlin braucht niemanden von außerhalb, Jobs sollten zuallererst an gebürtige Berliner vergeben werden. Und natürlich gab es für ihn viel zu viele Ausländer, wobei er es schon als gnädig erachtete, nicht in Berlin geborene Deutsche nicht auch als Ausländer zu bezeichnen.
„ Sie geben diesem Furunkel ein Exklusiv-Interview?“ fragte Lisa kühl.
„ Nun, dies ist eine Demokratie, und wir wollen doch keine Partei benachteiligen, nicht wahr?“
„ Wann hatten Sie denn zuletzt jemanden von der Regenbogen-Liste in Ihrem Blatt? Oder von den Sozialisten?“
„ Die Tucken sind immer noch beleidigt, weil wir ihr Hauptquartier mal als Aids-Falle bezeichnet haben. Und die Kommunisten legen jedes Mal auf, wenn wir bei ihnen anrufen.“
„ Lassen wir das“, sagte Fabian leutselig und eröffnete die Fragestunde. „Wann haben Sie Herrn Sander zuletzt gesprochen?“
„ Er hat mich gestern angerufen“, sagte Lobsang, „sagte, er wolle noch was reinschieben, irgendwas über die Polizei und ihre Lahmarschigkeit. Oh, ich meine, entschuldigen Sie, das war nicht so gemeint.“
„ Hat er das konkreter ausgeführt?“ fragte Lisa vorsichtig.
„ Nein. Ich hab ihm gesagt, für morgen sei schon alles voll, und weil er gesagt hat, es wär nicht so eilig, wollte er es heute erst vorlegen. Aber daraus wurde ja nichts.“
Fabian und Lisa sahen sich an. Sie dachten beide dasselbe: Wenn wir nicht die Ermittlungen führen würden, säßen wir ganz schön in der Scheiße.
„ Wie spät war es bei dem Anruf?“ fragte Fabian.
„ So am Nachmittag. Drei Uhr, schätze ich.“
Lisa holte ihr Notizbuch raus und fing an, sich das Wesentliche zu notieren. Das war Aufgabe der
Weitere Kostenlose Bücher