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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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es ohne mit der Wimper zu zucken fertigbringst, deinen Daddy zu enttäuschen und anderen Leuten wehzutun. Wenn du der Härteste bist und der Beste. Dann kann es funktionieren.«
    »Und all das nur, damit die ganze Welt das Flennen kriegt, wenn du abkratzt? Deshalb soll man sein ganzes Leben lang andere Leute mies behandeln? Das ist doch völlig blöde.«
    »Ich sag dir, da is bestimmt auch noch was anderes.«
    »Was anderes?«
    »Wenn du erst mal angefangen hast, dich wirklich auf eine ganz bestimmte Sache zu konzentrieren. Es darf natürlich nich irgendwas sein. Du kannst nich plötzlich eines Tages sagen, ich werd jetzt der beste Marathonläufer der ganzen Welt. Es muss schon was sein, was du schon immer gut konntest. Bei mir ist das die Musik. Dafür hab ich mich schon immer begeistert, mein ganzes Leben lang. Es waren nur immer so viele Töne und Klänge in meinem Kopf, dass ich nie auf die Idee gekommen bin, alles auf ein einziges Instrument zu konzentrieren. Aber die E-Gitarre ist schon genau das Richtige. Sie ist laut und wild und enorm vielseitig. Und ich sag dir, wenn du das erst mal ’ne Weile machst, dann kommt da bestimmt noch was anderes, dann kriegst du mit, dass es da noch ’nen ganz anderen Weg gibt, ’ne ganz andere Wichtigkeit, als du von hier aus erkennen kannst.«
    »Is’ mir zu theoretisch.«
    »Is’ gar nicht theoretisch. Is’ nämlich allen großen Musikern so passiert, du musst dich mal mit ihren Lebensläufen beschäftigen, da kommst du ganz schnell hinter. Das is’ sozusagen in der Praxis getestet. Und das wird auch nich schiefgehen, wenn man’s wirklich ernst meint.«
    »Und mein Bruder hat’s nich wirklich ernst gemeint?«
    Floyd musste lachen. »Der? Der hat doch nur vor’m Spiegel geübt, damit die Hühner auf ihn scharf werden.«
    Harv lachte auch. »Stimmt.« Er stellte sich breitbeinig hin, spielte Luftgitarre am gurgelnden Flussufer und machte twaiinng-aaiinng-weeeeooowwww dazu. Dann schlackerte er die schmächtigen Hüften vor und zurück, und Floyd und Harv fielen vor Lachen fast um.
    Floyd wurde als Erster wieder ernst. »Nee, es muss ’ne große Sache sein. Wenn man nur vorhat, hier in Harrisburg ’n paar zweite Preise abzukassieren, darf man gar nich erst antreten. Es muss wichtiger sein als alles. Schule, Eltern, Weiber, Geld. Das is’ dir alles nur im Weg.«
    »Yow, geil. Vielleicht sollten wir zusammen was aufziehen. ’Ne Band. Du lernst Gitarre und schreibst die Texte und so, ich spiel den Bass und Pat könnte drummen.«
    »Welcher Pat?«
    »Patrick Dels aus der Nebenklasse. Der hat beim letzten Schulfest ’n ziemlich sauberes Drummersolo abgeliefert.«
    »Da war ich nich da.«
    »Weiß ich. Das muss jetzt anders werden, wenn du’s wirklich ernsthaft machen willst. Du musst dir jetzt alles reinziehen, was auch nur entfernt mit Musik zu tun hat.« Harv griente.
    »Auch die lokalen Verlierer?«
    »Auch die lokalen Verlierer. Sonst kriegen wir ja nie raus, wovon wir uns abzusetzen haben.«
    »Du hast recht, Harv. Ich glaube, du hast wirklich gepeilt, worauf ich hinauswill. Lass es uns tun, Mann. Lass uns dem Rest der Welt den Finger zeigen.«
    Zwei dreizehnjährige Bengel tobten und tanzten an der Uferböschung des Susquehanna River herum, schrien und jaulten wie tollwütige Wölfe und streckten jedem Binnenschiffer und jedem zufälligen Passanten die Mittelfinger und die Fäuste hin, und niemand auf der ganzen weiten Welt beachtete sie.
     
    Als Floyd dreizehn Jahre alt war«, fuhr Mrs. Timmen fort, »fing er so richtig an mit der Gitarre, die Geschichte kennen Sie ja bestimmt. Mein Sohn Roddy und ich waren sehr verwundert darüber, mit welcher Ernsthaftigkeit sich Floyd dem Erlernen der Fingerfertigkeiten zuwandte. Abgesehen von diesem Faible für die Glocken hatte Floyd vorher eigentlich nie irgendwelche auffälligen Interessen für Musik oder Klänge gezeigt, aber jetzt, wo dieser Mister Riddle oder Mister Rattle oder wie er hieß ihn unterrichtete, wurde das zu einer richtig ausgewachsenen Manie. Wann immer Floyd eine freie Minute hatte, konnte man ihn in seinem Zimmer oder hinter den Häusern in einem der Schuppen ...«
    »Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche, Mrs. Timmen, aber was meinten Sie eben mit Glocken? Haben Sie nicht irgendein Faible für Glocken erwähnt?«
    »Na, die Sache mit den Kirchenglocken halt ...«
    Mrs. Timmen lächelte freundlich. Beim Reporter brach die heißkalte, raschelnde Geschäftigkeit aus. Das konnte genau der

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