HalbEngel
L-Bird.«
Nach einer Minute der Konfusion und Umorganisation hinter der Scheibe – das Mädchen stellte die Gitarre weg und ging stattdessen hinter ein kleines Stativ-Keyboard – fing die Band an, eine Ballade zu spielen, deren komplexe aber schöne Harmonik von der eigenwilligen Gesangsmelodie akzentuiert wurde. Das war jetzt wirklich etwas Neues. Der Sänger spielte seine Stimme fast wie ein Instrument, ließ sie um die eigentliche Melodie herumkreisen und herumfliegen wie einen übermütigen Vogel, eben jenen Vogel, um den es im Text ging. Einen, der ohne Beine geboren worden war, und der deshalb – einmal gestartet – immer nur weiterfliegen konnte, ohne jemals zu landen, fliegen, bis er schließlich mitten im Himmel starb.
»Nicht schlecht«, musste The Pope zugeben. »Man müsste noch ’n bisschen dran rumfeilen, so klingt es natürlich zu eindimensional, zu glatt. Aber Möglichkeiten sind da.«
»Im Gegensatz zu Lizard Soul .«
»Du hast mir den Job mit den Lizards besorgt, Mel. Du machst mir den Job madig, du musst es dann auch ausbaden, wenn ich den ganzen Krempel hier hinschmeiße und nach New York zurückgehe.«
»Nicht, wenn ich dich hier anderweitig gebrauchen kann.« Sletvik behielt seine glucksende Heiterkeit bei. Das war seine stärkste Waffe. Damit konnte er – wie er selbst es gerne formulierte – Großmütter dazu bringen, für ihn zu strippen. »Hör mir mal gut zu, Fred. Ich produziere diese Jungs da drinnen. Du weißt, dass ich nur noch die wenigsten Bands selbst produziere; seit mir das Label gehört, habe ich diesen Ärger eigentlich nicht mehr nötig. Ich bin kein besonders guter Produzent, das wissen wir beide. Es hat gereicht, um das Debüt von Lizard Soul großzumachen, weil ich ein guter, fleißiger Handwerker bin, der sich sein Geld hart erarbeitet. Außerdem dachte ich damals wirklich noch, dass die Lizards das große Ding sind. Aber das ist jetzt zwei Jahre her. Ich habe meine Meinung geändert. Mir war klar, dass das zweite Album der Lizards nur dann zu retten ist, wenn ein Magier am Mischpult steht, einer der Besten. Du, Fred. Du bist einer der Besten, vielleicht sogar der Beste. Und jetzt sind mir vor auf den Tag genau einem Monat diese Burschen hier in den Schoß gefallen. Das ist kein lange vorbereiteter, werbestrategisch geplanter Deal gewesen, Fred. Das hier war, als wenn man beim Pissen im Wald ’ne Ölquelle anbohrt, du verstehst, was ich meine? Hey, Fred. Machen wir uns doch nichts vor. Das Rooster von Loud Chameleon ist nicht übel, lauter gut aussehende kleine Bands, die rotzig und breitbeinig genug daherkommen, um für ein paar Kids da draußen die Größten zu sein. Aber die richtigen Überflieger waren bisher nicht dabei. Es hat gereicht, um ein Leben draus zu machen, aber zur Unsterblichkeit langt’s so nie. Und da klimpern mir da plötzlich diese Rohdiamanten hier in die dicken Finger. Ich hab die Band noch formen müssen, hab einen bescheuerten Junkie-Drummer durch einen unterschätzten und deshalb billig zu bekommenden Spitzenmann aus der Profiliga ersetzt. Und da kommt mir dann auf einmal noch eine komische Idee. Du weißt, wie das bei mir hier oben immer rattert und rotiert, das geht die ganze Zeit so, da sind diese kleinen piepsigen Stimmchen, die sagen immer Mel, Mel, wie kann man’s denn noch besser machen? Mel, Mel, bist du sicher, dass das gut genug ist, Mel? Ist das etwas, worauf du stolz sein wirst in – sagen wir – vier Jahren? Und ich denk mir, ich denk mir einfach – was wäre, wenn wir diese völlig neue, unbekannte Band hier nehmen, die für sich alleine gut genug ist, dass selbst dann, wenn ich sie produziere, wahrscheinlich siebzig oder achtzig Prozent Qualität bei rausspringen ... wenn wir diese Band stattdessen nehmen und sie mit einem Super-Producer teamen? Was wäre dann? Mehr als hundert Prozent, Fred. Mehr als hundert Prozent! Und du weißt, was das bedeuten würde. Das würde heißen, dass wir Loud Chameleon in die Charts bekommen, in die Top Forty, oder sogar die Top Twenty, Mann, und nicht mit irgendeiner College-Scheiße, sondern mit Qualität, die man sich auch in mehr als vier Jahren noch anhören kann. Diese Band hier, Mercantile Base Metal Index , und die Merlinfinger von The Pope an den Reglern, und ich garantiere dir, dass wir das Chamäleon in den Orbit schießen, weit über den arschgeleckten Achtungserfolg von Lizard Soul hinaus. Und danach gibt’s keine Grenzen mehr.«
The Pope lächelte. »Ich hab mir immer
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