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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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Augen. Ebenso untypisch war das entschuldigende Grinsen auf seinen Lippen. »Sie hätten ihn hören müssen, Counselor. Er war inspirierend. So inspirierend, wie so ein Nichts nur sein kann.«
    Ich konnte es immer noch nicht fassen. »Sie haben ihn gehen lassen? Allein?«
    »Ich wiederhole: Er war inspirierend.«
    »Zum Teufel mit Ihnen«, zischte ich.
    Lastogne bewegte sich schneller als jeder andere Mensch, den ich je erlebt hatte. Schneller als die Porrinyards mir zu Hilfe gekommen waren. Schneller als irgendein Akrobat oder ein Attentäter. Schneller, als irgendein nicht manipuliertes menschliches Wesen sich von Rechts wegen bewegen dürfte. Ich hatte gerade genug Zeit, eine verschwommene Bewegung wahrzunehmen und zurückzuzucken, erfüllt von der Gewissheit, dass all meine Spekulationen falsch gewesen waren, dass er der Mörder war, der gekommen war, um das zu Ende zu bringen, was die Porrinyards unterbrochen hatten. Dann stand er vor mir, seine Hand auf meinem Arm, die Augen noch immer voller Trauer, aber seine Lippen verzogen sich wiederum zu der schiefen Grimasse, die so kennzeichnend für ihn war. »Counselor ...«
    Mein Mund war trocken. »Was?«
    »Ehe Sie tun, was Sie tun müssen, möchte ich, dass Sie über die Geste von seiner Seite aus nachdenken. Und vergessen Sie die eine Sache nicht, die am Durchschnitt wahrlich bewundernswert ist.«
    Seine Augen waren so schwarz, so wissend, dass ich den Blick abwenden musste. »Welche?«
    »Von Zeit zu Zeit«, sagte er, »sind sie es nicht.«
    Ich musterte Peyrin Lastogne, doch ich sah Artis Bringens Gesicht.
    Und ich traf eine Entscheidung.
    »Es gibt«, verriet ich Lastogne, »in meinem Hytex-Ordner zwei Nachrichten, beide verschlüsselt. Ich muss Sie bitten, beide zur Übertragung freizugeben. Eine wird sofort verschickt, die andere ist darauf programmiert, in vierundzwanzig Stunden abgeschickt zu werden. Sollte eine von beiden zurückgehalten werden, wird man Sie wegen Behinderung belangen.«
    »In welchem Dokument geht es um Gibbs und in welchem um mich?«
    »Das geht Sie nichts an«, sagte ich und kehrte ihm den Rücken zu.
    Es half mir wenig, mich zu vergewissern, dass er meine Anweisungen befolgte. Denn sollte er es nicht tun, so wäre ich in noch größeren Schwierigkeiten, als ich bisher geglaubt hatte.
    Ich entdeckte Gibb auf einer der Netzbrücken, die die Prachtstraßen von Hängemattenstadt bildeten. Wie die Plattform, auf der wir uns vor dem Anschlag auf mein Leben begegnet waren, hing auch die Brücke knapp unter dem Überwuchs. Sie war der niederdrückenden Decke so nahe, dass ein hochgewachsener Mann sich vielleicht sogar hätte bücken müssen.
    Gibb lag mit nackten Oberkörper auf der Seite und trug nur mehr eine kurze silberfarbene Hose; so berauscht, wie er mir vorkam, als ich die Netze bis auf seine Höhe hinaufkletterte, erinnerte er gar zu sehr an einen einsamen Bacchus, gekleidet für eine Orgie, zu der er die einzige Einladung erhalten hatte.
    Die Nacht war so klar, wie sie auf One One One nur sein konnte. Der fruchtige Geruch des Überwuchses war deutlicher, schärfer als bei all meinen vorangegangenen Besuchen; mir wurde beinahe übel davon, bis ich erkannte, dass die Nervosität ihre Finger im Spiel hatte, und mein Bestes gab, um sie niederzuringen. Die üblichen Sturmwolken unter uns hatten sich ein wenig verflüchtigt und offenbarten eine weitere Schicht voller wütender Blitze. Ich blickte hinunter zu einem der Blitze; der unausweichliche Schwindelanfall brachte mich vorübergehend aus dem Gleichgewicht, und ich verwünschte mich sogleich dafür, solch eine Dummheit begangen zu haben. Zwar waren die Lichtquellen der Stadt abgeschaltet, aber die Lampen, die ich noch vor meinem Flug hierher meiner Tasche entnommen und an Stirn und Handgelenken gesichert hatte, waren mehr als genug, um mir den Weg zu weisen. Ich brauchte keine fernen Wetterphänomene, um mich an die Höhe zu erinnern, auf der ich mich bewegte.
    Aber Gibb schien die Aussicht zu genießen und den leeren Raum als befreiend zu empfinden. Es war, als gehöre er mehr hierher als an irgendeinen anderen Ort, und er brachte sogar ein Grinsen zustande, als ich es endlich bis auf seine Ebene geschafft hatte. »Sie werden langsam besser, Counselor. Ich bin beeindruckt.«
    »Danke, Botschafter. Ich wünschte, ich könnte das Gleiche über Ihre alberne Geste sagen.«
    Er verzichtete darauf, mich daran zu erinnern, dass es mir nicht gestattet war, ihn Botschafter zu nennen. »Das

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