Halbgeist: Roman
Auf der anderen Seite wartete mehr blaues Licht. Ohne Frage wusste ich, dass diese Luke nur die erste von vielen sein würde und dass ich, hätte ich den wie auch immer angelegten Weg zurück, den die KIquellen für mich ausgewählt hatten, erst hinter mich gebracht, auf die Porrinyards träfe, die darauf warteten zu erfahren, ob ich überlebt hatte.
Was mich jedoch weit mehr beschäftigte, war die Erkenntnis, dass die geschlagene Frau neben mir nicht die einzige Christina Santiago im Raum war.
Da war noch eine andere: Nur wenige Schritte entfernt demonstrierte sie durch ihre bloße Anwesenheit, dass ich noch immer eine Kleinigkeit zu lernen hatte.
Diese Christina war nackt, hockte auf den Knien und zerrte an den Ketten, die sie an vier Stellen am Boden sicherten. Da waren Ketten um ihre Handgelenke, um ihre Fußgelenke und in Bündeln um ihren Hals gewickelt. Sie kämpfte so ergrimmt mit ihnen, dass sie sich blutig schlug, wo immer die Ketten ihre Haut berührten. Die Muskeln an ihren Oberarmen und ihren Beinen wirkten knotig nach der Anstrengung des Kampfes. Die Wunden, die sie sich währenddessen zugezogen hatte, bedeckten wie offene nässende Risse ihren Rücken, ihre Brust und ihre Glieder. Ihr Unterkiefer hing herab, der Mund war zu einem tonlosen trotzigen Schrei geöffnet, genährt teilweise aus Schmerz, teilweise aus Zorn und vor allem aus der verfluchten Gewissheit, dass der Kampf gegen ihre unsichtbaren Wächter alles war, was sie von nun an noch erleben würde. In ihren Augen schimmerten Sehnsucht, Verachtung und Wahnsinn, geboren aus einer Zwangslage ohne Alternativen.
Wie im Zuge ihrer Arbeit lebte sie auch jetzt ein Leben voller Schmerz. Doch in ihrem Geist waren es andere, die im Kampf untergegangen waren. Sie präsentierte sich noch immer als Kriegerin in der Schlacht.
Ich dachte darüber nach, wie wenig ich über die Welt erfahren hatte, aus der sie gekommen war, fragte mich, wie viel schlimmer sie gewesen sein musste, verglichen mit all den minderen Schrecken, die ich erlebt hatte.
Ich versuchte immer noch, mir ein Bild davon zu machen, als sich mitten in meinem Blickfeld erneut ein schwarzer Punkt zeigte, der sich ausdehnte, bis vor mir ein KIquellen-Flachschirm in voller Größe schwebte.
Er sprach mit der Stimme, die ich als die der zentralen Intelligenz dieser Station kennengelernt hatte. Herzlichen Glückwunsch, Andrea Cort. Nun ist es an der Zeit, die Bedingungen für Ihre künftige Beschäftigung zu besprechen.
Ich rieb mir den Hals, verschuf meiner rauen Kehle ein kostbares bisschen Erleichterung. »Und wenn ich sagen würde, zum Teufel mit Ihnen? Dass der Handel unter Zwang geschlossen wurde? Dass ich nicht für Sie arbeiten will? Interessiert es Sie überhaupt, was ich will?«
Selbstverständlich. Wir versprechen: Was immer es uns kostet, es wird Ihnen üblicherweise freistehen zu handeln, wie Sie es wünschen. Sie werden es lediglich in unserem Interesse tun, das ist alles. Denn daraus werden wir nehmen, was wir brauchen.
Ich konnte nur dastehen. Meine Brust hob und senkte sich unter meinen schweren Atemzügen. Ihre Versicherungen gaben mir nicht das geringste Gefühl von Freiheit, selbst wenn ich darauf vertraute, dass sie sich an ihr Versprechen halten würden. Wenn überhaupt verstärkte dieser Handel meine Isolation von der Spezies, die mich hervorgebracht und in deren Mitte ich den größten Teil meines Lebens damit zugebracht hatte, sie aus der Perspektive eines abgesonderten Fremden zu beäugen. Von diesem Moment an würde ich, gleich, wohin ich ging, was ich tat, welche Reaktionen ich erhielt, nie mehr in der Lage sein, sicher zu sagen, ob ich es mit den legitimen chaotischen, unberechenbaren, selbstsüchtigen, selbstlosen, kalten, leidenschaftlichen, gesunden oder kranken Marotten anderer Menschen zu tun hatte oder mit etwas anderem.
Die dreckigen KIquellen hatten gewusst, was sie taten, als sie danebengestanden hatten, während ich mich mit einem Feind maß, der meiner Größe eher entsprach. Sie hatten mir die Zeit gegeben, einen Hass zu entwickeln, der vollständig innerhalb meiner Fähigkeit blieb, ihn für den Rest meines Lebens mitzuschleppen. Oder zumindest, so lange es eben dauerte.
Ich wollte dieses Gefühl nicht in mir haben. Ich wünschte, ich könnte es einfach ablegen.
»Fahrt zur Hölle«, sagte ich.
Die KIquellen zeigten sich nicht sonderlich gekränkt. Wie wir bereits sagten, Andrea: Unsere Ambitionen in dieser Sache decken sich. Und wenn
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