Halbgeist: Roman
lassen, bleibt uns nur, unseren jeweiligen Gastgebern zu versichern, dass die Gegenstände, die wir bei uns haben, derzeit keine Waffen darstellen und auch nicht als Waffen eingesetzt werden, es sei denn, wir sehen uns gezwungen, mit den Dingen, die uns zur Verfügung stehen, zu improvisieren.«
Die Blase an Gibbs Kinn platzte auf. Er stierte eine Fingerspitze an, die nun vor lauter Blut rot glänzte. »Ein wunderbares Argument, Counselor. Ist damit schon je irgendeine der Personen durchgekommen, die Sie verfolgt haben?«
»Nein. Wenn ich Sie verfolge, dann müssen Sie schon erheblich mehr bringen.«
Man muss Gibb zubilligen, dass er immerhin klug genug war, die mehr oder weniger versteckte Drohung hinter meinen Worten zu erkennen. Sein verletztes Kinn hatte vielleicht gezittert, während er ein halbes Dutzend wütender Entgegnungen schluckte, aber er schluckte sie. Auch Li-Tsan beruhigte sich allmählich; ihre Bändiger trauten ihr nicht und ließen folglich nicht von ihr ab, aber sie folgte dem Geschehen mit grimmiger Faszination und einem gewissen Trotz, nicht bereit, eine Träne zu vergießen. Die untere Hälfte ihres Gesichts war gerötet von dem Blut, das sich aus ihrer gebrochenen Nase ergossen hatte.
Ich widmete mich der stillen Gestalt hinter Gibb. »Mr. Lastogne?«
Seine geschürzten Lippen verzogen sich zu der gewohnten Dosis sardonischen Amüsements. »Ja, Counselor?«
»Geben Sie Anweisung, diese beiden Personen unter Arrest zu stellen. Überlassen Sie die Festnahme jemand anderem. Ich habe mit Ihnen zu reden. Sorgen Sie dafür, dass beide getrennt voneinander festgehalten werden und, soweit möglich, auch getrennt von allen Personen, die von Anfang an Zeugen des Vorfalls waren. Notfalls lassen Sie sie fixieren. Mir ist lieber, sie liegen isoliert in Ketten, statt von irgendjemandem bewacht zu werden, dessen Zeugenaussage auf keinen Fall durch sie beeinflusst werden darf.« Fast wäre ich zur Ruhe gekommen, doch dann fiel mir noch etwas ein. »Skye Porrinyard ist an Bord des Transporters. Sie kann von all dem nichts gesehen haben. Weisen Sie sie an, Li-Tsan zu beaufsichtigen. Oscin soll sich, wenn er zurück ist, um Gibb kümmern.«
»Wird erledigt«, sagte Lastogne.
Gibb ballte die Hände zu Fäusten. »Das ist nicht nötig, Counselor. Ich habe lediglich einen Angriff auf meine Person abgewehrt.«
»Ein paar kurze Stunden nach einem Anschlag auf mein Leben«, sagte ich. »Sie werden mir verzeihen, wenn ich ein gewisses akademisches Interesse an Vorfällen hege, in denen Gewalt eine Rolle spielt.«
Die Geschichten der Zuschauer boten ein übereinstimmendes, aber nicht sonderlich hilfreiches Bild.
Gibb hatte die Arbeiten stichprobenartig überwacht und die Profis, die seiner Hilfe beim Aufbau der Schlafkuben auf einer ebenen Oberfläche nicht bedurften, mit den für Führungspersonal üblichen nutzlosen Vorschlägen gelangweilt. Li-Tsan war aus dem Kubus, in dem sie all diese Monate genächtigt hatte, herausgekommen, hatte Gibb entdeckt und ihn gestellt, ehe er noch jemanden hatte belästigen können. Die beiden hatten leise über irgendetwas diskutiert, und ihre Körpersprache hatte ihre gegenseitige Abneigung zum Ausdruck gebracht. Das hatte zwischen dreißig Sekunden und drei Minuten gedauert, wobei die meisten Schätzungen den größeren Intervall stützten. Dann hatte Li-Tsan angefangen zu schreien, und Gibb hatte zurückgeschrien. Der Inhalt ihrer Diskussion war offenbar vergessen und das Gespräch zu einem gegenseitigen Austausch von Schmähungen aller Art verkommen.
Die meisten Zeugen erklärten, sie hätten den Moment verpasst, in dem die Worte offener Gewalt gewichen waren.
Unter den wenigen Zeugen, die mir glaubwürdig erschienen, waren sich drei von vier einig, dass Gibb die physische Phase eingeläutet hatte, indem er Li-Tsan ins Gesicht geschlagen hatte. Die vierte Person, eine geschmeidige Dienstverpflichtete mit orangefarbenem Haar, die auf den Namen Hannah Godel hörte, weigerte sich, irgendetwas dazu zu sagen, und erklärte, sie hätte so ungünstig gestanden, dass sie nicht sicher sein könne. Ich fragte sie, ob sie irgendeinen besonderen Grund hätte, ihre Meinung für sich zu behalten, woraufhin sie meinte, sie wolle lediglich niemanden verurteilen, ohne ihrer Sache völlig sicher zu sein.
Ihre Geschichte klang ganz nach einer Person, die eine sehr genaue Vorstellung hatte, sich aber die eigene Lage nicht erschweren wollte, indem sie ihre Beobachtung mit anderen
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