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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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aber ich habe momentan keine Zeit dafür, mich mit Ihrer Abscheu für mein blödes Arschgesicht zu beschäftigend Fahren wir mit der Annahme fort, dass Sie ihm die wildeste Beschimpfung an den Kopf geworfen haben, die sich Ihr kleines Hirn hat ausdenken können, woraufhin er sie geschlagen hat. Damit haben wir noch keine dreißig Sekunden ausgefüllt. Worum ging es in der übrigen Zeit?«
    Sie verzog das Gesicht. »Ist das wirklich wichtig? Er bleibt trotzdem ein Schwein, er macht uns trotzdem zu Sündenböcken, und Sie bleiben trotzdem, was Sie sind. Ich habe mir Ihre Akte angesehen, Counselor. Sie haben wirklich kein Recht, sich gegenüber irgendjemandem moralisch überlegen zu geben.«
    Mich erstaunt von jeher, wie viele Leute mir, sobald sie in ernsten Schwierigkeiten stecken, meine Vergangenheit um die Ohren hauen, offenbar in der Erwartung, ich wäre am Boden zerstört. »Wenn Sie genau hinsehen, werden Sie erkennen, dass ich lächle, Lehnsfrau. Nur zu. Fragen Sie mich, warum.«
    »Nein.«
    »Ich lächle, weil ich sehr genau weiß, was ich bin, und weil ich ganz ehrlich einen Scheiß darauf gebe, was Sie von mir halten.«
    »Verpissen Sie sich.«
    »Ich lächle, weil Ihre Weigerung, mir eine aufrichtige Antwort zu geben, so etwa das Dümmste und Selbstzerstörerischste ist, was Sie überhaupt tun können.«
    »Wie ich schon sagte: Verpissen Sie sich. Sie haben Ihre Entscheidung so oder so längst getroffen.«
    Es war nicht meine Aufgabe, um Antworten zu betteln. Ich nickte, deaktivierte den Zischschirm, beschäftigte mich noch ungefähr weitere zehn Sekunden mit allerlei nutzlosen Verrichtungen, nur um ihr Gelegenheit zu geben, dort herumzuliegen und mir hilflos dabei zuzusehen, wie ich Ewigkeiten brauchte, um endlich zu verschwinden. Dann, in dem Augenblick, der mir am geeignetsten schien, hielt ich noch einmal auf der Schwelle inne. »Ich mag Sie nicht, Lehnsfrau. Aber Geheimnisse kann ich noch weniger leiden.«
    Sie ließ mich ohne Widerworte ziehen.
    Niemand hatte eine Neigung verspürt, bei Gibb die gleichen Sicherheitsmaßnahmen anzuwenden wie bei Li-Tsan Crin. Stattdessen hatten die zuständigen Leute ihn schlicht aus dem Hangar hinauseskortiert und waren bei ihm geblieben, während er eine lange Wartezeit über sich hatte ergehen lassen müssen, ehe ich ihm meine Aufmerksamkeit zuteilwerden ließ.
    Drei Männer saßen im Schneidersitz auf dem gepolsterten Boden, den Rücken an die schwach leuchtende Wand gelehnt. Ein schäumender Gibb hockte in der Mitte, eingeklemmt zwischen zwei Männern, die, so schien es, ausgewählt worden waren, weil sie gut mit ihm zurechtkamen. Ich kannte beide: ein zierlicher, unerfahrener junger Dienstverpflichteter namens Simon Wells, der sich schon in der Befragung als vollständig nutzlos erwiesen hatte, und ein missmutiger älterer Mann mit behaarten Armen, ein gewisser Chasin Burr, dessen Antworten selten mehr als zwei bis drei Worte umfasst hatten. Wells verströmte das profunde Unbehagen eines verunsicherten Mannes, der nicht gerade beglückt war, seinen Vorgesetzten beaufsichtigen zu müssen. Burr verströmte lediglich eine allgemeine Abneigung in meine Richtung.
    Ich wies die beiden an, auf Abstand zu gehen, baute mich vor Gibb auf und blickte auf ihn herab.
    »Sie können gern Platz nehmen«, sagte er mit einer Stimme, deren heiserer Ton von dem erlittenen Trauma kündete.
    »Nein, danke. Nach Hängemattenstadt genieße ich das neue Gefühl zu stehen.«
    Er machte Anstalten, sich zu erheben.
    Ich hielt ihn mit einer Geste auf. »Bleiben Sie sitzen, oder ich gebe Anweisung, Sie zu fixieren.«
    Er erstarrte. »Hören Sie auf, Counselor. Ich habe nicht die Absicht, Sie anzugreifen.«
    »Und vermutlich ist das sogar die Wahrheit. Aber Ihre vorangegangene Handlungsweise deutet auf einen noch recht frischen Hang zur Gewalt hin. Also bleiben Sie, wo Sie sind.«
    Er sah aus, als wolle er widersprechen; tatsächlich aber gab er nur ein Grunzen von sich, setzte sich wieder und betrachtete mich mit der müden, resignierten Haltung eines Mannes, der es gewohnt war, missverstanden zu werden. »Das ist überflüssig. Dutzende von Zeugen haben gesehen, wie diese Verrückte mein Leben bedroht hat.«
    »Korrekt. Und sie haben auch gesehen, dass Sie zuerst zugeschlagen haben.«
    Sein Seufzen war geprägt von körperlicher und seelischer Ermattung. »Ja, das war ein Fehler. Aber sie war hysterisch. Sie war hysterisch, und sie war außer Kontrolle, und ich dachte, ein kleiner Schock

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