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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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versucht, mich zum Narren zu halten.»
    «Ich verstehe es nicht», stotterte Marten.
    Roger Bernstein hatte ihn nicht zu Schmidt-Katter und dem Kapitän gebracht, sondern ins
Ocean’s Crown
, dem zukünftigen Nachtclub der
Poseidonna
, der sich im vorderen Teil des 12.   Decks befand. Von hier oben hatte man einen ebenso beeindruckenden Panoramablick wie von der Kommandobrücke aus. Rechts neben ihnen lag die kleine Flussinsel Hatzumer Sand und in Fahrtrichtung links konnte man schon die Spitze des Ditzumer Kirchturms erkennen. Sie waren gut vorangekommen. Noch eine Linkskurve, und sie standen vor dem letzten Hindernis vor dem Meer, dem Dollartsperrwerk.
    Beim
Ocean’s Crown
handelte es sich genau genommen um die oberste Etage des Atriums. Das gesamte Interieur unterhalb der gewaltigen Glaskuppel glich, dem Namen angemessen, einer Krone. Rund um das gläserne Dach verlief eine Balustrade, die mit Goldornamenten verziert war. Die Tische standen im Kreis aufgereiht, lediglich die mit bunten Kunstjuwelen besetzte Bar unterbrach das Rondell. Wenn man sich in der Mitte des Raumes über den schulterhohen Balkonrand lehnte, konnte man bis auf den Boden des Springbrunnens schauen. Dort unten muss Grees gelegen haben, dachte Marten.
    Das
Ocean’s Crown
diente während der Überführung als Zentrale der an Bord beschäftigten Sicherheitstruppe. Roger Bernstein und seine Leute hatten sich hier breit gemacht, einige tranken Kaffee und rauchten. Bernstein war sauer.
    «Haben Ihre Leute wirklich gründlich nachgeschaut?», fragte Marten nervös. Er konnte sich keinen Reim auf Doktor Perls Verschwinden machen. Die Luken in den Ballasttanks ließen sich nicht von innen öffnen, zudem war der Arzt an Armen und Beinen gefesselt gewesen.
    «Zugegeben, die Luke war geöffnet, das kam uns auchmerkwürdig vor. Aber ich bin mir sicher, dass Sie das gemacht haben. Warum auch immer.»
    Marten fand dazu nur eine Erklärung: Die Fotografin musste den Arzt auf eigene Faust gerettet haben. Aber warum waren die beiden dann nirgendwo aufgetaucht? Er schwieg.
    Bernstein ließ ihn nicht aus den Augen. «Die Luke muss länger offen gestanden haben, weil das Wasser sehr hoch gestiegen ist.»
    «Was hat das zu bedeuten?»
    «Hey, ich bin kein Mechaniker, klar? Aber die Fachleute waren auch unten, und sie haben gesagt, dass das Sicherheitsventil der Ballasttanks nicht rechtzeitig reagiert hat, weil es sich über einen hydraulischen Mechanismus auslöst, der bei zu hohem Luftdruck reagiert. Weil aber die Luke offen stand, konnte die Luft entweichen. Und darum wurde die Wasserzufuhr erst wesentlich später gestoppt. Durch ein weiteres Ventil, das auf andere Weise funktioniert.»
    «Ich habe die Luke nicht offen stehen lassen.»
    «Sondern?»
    «Keine Ahnung. Wie hoch ist das Wasser gestiegen?»
    «Woher soll ich das wissen? Einer von meinen Leuten war drin, weil er nach Doktor Perl gesucht hat. Der arme Kerl musste wegen Ihrem Stuss bis zur Brust in der eiskalten Brühe waten. Ich könnte Ihnen   …»
    «Also stand es über anderthalb Meter hoch?»
    «Mann, Sie stellen Fragen! Hören Sie, ich glaube, Sie verwechseln da was. Ich bin es, der hier Antworten zu erwarten hat!» Bernstein hatte sich eine Zigarette angesteckt. Während er den ersten Zug nahm, schien er sich seinen nächsten Satz zurechtzulegen. «Marten, wir haben Ihre Personalien überprüft. Sie haben Anfang des Jahres Ihren Job verloren. Das ist hart, kann ich mir vorstellen.»
    Dies war keine Frage, und Marten sah sich auch nicht veranlasst, irgendetwas zu erwidern. Doch Bernstein blies ihm permanent den Qualm ins Gesicht und schwieg. Marten ließ sich zu einem «Ja, das ist hart» hinreißen.
    «Sie wollten Rache an Schmidt-Katter verüben. Aus diesem Grunde haben Sie das Kabel zwischen die Motorenantriebe montiert und den Bus im Fluss versenkt   …»
    «Das ist nicht wahr, ich habe damit nichts zu tun!»
    «…   und dann haben Sie Wolfgang Grees ermordet. Sie haben ihn über die Balustrade geschubst.» Bernstein schaute bei seinem letzten Satz demonstrativ über das Geländer.
    «Nein!»
    «Und schließlich haben Sie die Luke des Ballasttanks geöffnet. Wahrscheinlich haben Sie irgendwie erfahren, dass es dort einen Schaden gegeben hat. Und Sie wussten, dass Sie das Sicherheitsventil überlisten könnten, indem Sie den Deckel offen ließen.»
    «Nein!»
    «Doch!» Die Zigarette war aufgeraucht, und Bernstein drückte die Kippe mit seinen Stiefeln auf dem Granitboden aus.
    Marten

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