Halbmondnacht
einfach nur aufwachen! «, brüllte Tyler genau neben meinem Ohr. Innerlich krümmte ich mich zusammen vor Schmerz. Aber ich konnte offenkundig nicht einen Muskel rühren.
»Na ja, mag sein. Vielleicht hast du tatsächlich recht. Ich kann sie auch immer noch spüren«, sagte Danny. »Aber sie hat seit Stunden keinen Atemzug mehr getan, zum Teufel! Wie viele Wölfe kennst du, die nicht zu atmen brauchen?«
Ich atmete nicht?
Wie konnte das sein? Ich konnte meine Wölfin spüren. Sie zuckte. Da bemerkte ich, dass sie auf der Seite lag, das Gesicht von mir abgewandt. Kannst du mich hören? Kannst du dich bewegen?
Keine Reaktion.
»Geh und such den Eingang nach Spinnentieren ab. Sieh dich gründlich um«, befahl Tyler. »Ich möchte nicht, dass sich doch noch eines der Biester hierher verirrt. Wenn sie noch einmal gestochen wird, wacht sie ganz sicher nicht mehr auf.«
»In Ordnung«, brummte Danny. »Aber wenn die Vampire zurück sind, müssen wir endlich eine Entscheidung treffen.«
»Ich habe es dir doch bereits gesagt: Wir ziehen los und befreien die Katze, ganz wie geplant. Dann töten wir das Miststück, das meiner Schwester das angetan hat. Ich gehe, ganz egal, ob du mitkommst oder nicht.«
»Auf uns selbst gestellt haben wir keine Chance gegen eine Göttin. Es wäre Selbstmord, da reinzugehen«, hielt Danny ihm entgegen. »Wir sollten Jessica erst mal nach Hause bringen und herausfinden, was mit ihr los ist. Und dann kommen wir mit Verstärkung wieder zurück.«
»Wir ziehen los, dringen in Selenes Reich ein, Selene stirbt, und wir retten die Katze.« Tylers Tonfall duldete keinen Widerspruch. »Wenn wir das erledigt haben, kommen wir zurück, undJessica wacht auf, weil Selene tot ist. Und dann gehen wir nach Hause.«
»Ich pfeif auf die Scheiß katze! «, brüllte Danny frustriert. Seine Worte hallten nach, wurden Welle auf Welle an mein Ohr getragen. Wir sind wohl in einer Höhle , erklärte ich meiner Wölfin. Wieder keine Reaktion. »Denn wenn’s nach deinem Willen geht, gehen wir da rein und sind tot. Selene bleibt am Leben, und Jessica verrottet hier, weil sie nicht von selbst aufwachen kann!«
Tyler sprang auf die Füße. Seine Wut war für mich körperlich spürbar, hämmerte förmlich auf mich ein, und neben der Wut spürte ich Schmerz und Trauer – ein Gefühlscocktail, der mein Blut in Wallung brachte. »Die Katze ist der Gefährte meiner Schwester. Nicht einmal ihr Tod kann daran etwas ändern. Wir töten die Göttin, er bleibt am Leben. Wir sind stark genug, um das ohne Unterstützung hinzubekommen.«
»Du hast einen verdammten Dickschädel, weißt du das? Wenn wir in Selenes Zuflucht eindringen, setzen wir alles aufs Spiel, auch die Katze .« Ich hörte Dannys Schritte, die sich von uns entfernten. Er verließ die Höhle.
Warum bloß wachte ich nicht auf?
Erneut suchte ich die Gedankenverbindung zu meiner Wölfin und fahndete auch nach Hinweisen, die mir eine Antwort auf meine Frage zu geben versprachen. Meine Wölfin lag immer noch auf der Seite. Wach auf! , rief ich. Hörst du mich überhaupt? Eine ihrer Vorderpfoten zuckte. Mehr aber geschah nicht.
Mental versetzte ich ihr einen Stoß.
Meine Energie strömte wellenförmig aus, bis sie, ganz unerwartet, zurückgeworfen wurde. Ich glaube, wir sind in einer Art magischer Blase gefangen. Stimmte das, musste ich herausfinden, wie ich die Blase durchstoßen konnte, um mich zu befreien. Das klingt doch kinderleicht, findest du nicht? Immer noch keine Reaktion von meiner Wölfin. Offenkundig war meine menschliche Seite aufgewacht, während meine Wölfin aus welchem Grundauch immer weiterschlief. Das würde ich jetzt erst einmal so hinnehmen und mich nicht mit Lamentieren aufhalten. Ich war froh, dass wenigstens ich wach war, aber nun musste ich irgendwie in Ordnung bringen, was da gerade falsch lief.
Komm schon, Jess , flehte Tyler in meinen Gedanken, wach auf! In dem Moment, in dem er in meine Gedankenwelt vordrang, berührte seine Hand mein Fell.
Ein Strom knisternder Energie floss plötzlich zwischen uns hin und her, so heftig wie ein elektrischer Schlag von einer Autobatterie.
Tyler keuchte auf, und ich wusste, er hatte es auch gespürt.
Sofort rutschte er auf Knien näher an mich heran und griff mit beiden Händen in mein Fell. Seine Hände auf mir zu spüren, seine Kraft, war außerordentlich beruhigend. Was ist los? Sag mir, was ich tun kann. Bist du irgendwie gefangen?
Ich strengte mich an, die Gedankenverbindung zu ihm
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