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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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dass ich keine sonderlich engen Sozialkontakte zu Reinmenschen pflegte. Juanita und Ray waren mir, was das anging, vollauf genug. Niemand sollte passieren, was Ray passiert war: uns Werwölfen dermaßen auf die Füße zu treten, dass wir nicht anders konnten, als uns gegen ihn zu stellen. Sollte Juanita dieses Schicksal widerfahren, wäre ich am Boden zerstört.
    »Aber ehrlich, Jess: Wenn du ein guter Wolf sein willst, solltest du unbedingt lernen, von Duftgemengen jede Note, jedes Aroma zu unterscheiden. Sobald du einen neuen Geruch wahrnimmst, speicherst du ihn am besten gleich ab und gehst zur nächsten darunterliegenden Duftnote über. Tust du das nicht, bringst du dich selbst anderen Wölfen gegenüber in eine schlechtere Position. Du wirst niemals in der Lage sein, irgendjemanden anhand seiner Witterung sicher zu identifizieren oder aufzuspüren.« Kaum dass ich die letzte Gabel Paella zum Mund geführt hatte, stand ich auf und ging mit dem leeren Teller in Richtung Spüle. Also antwortete ich Tyler in Gedanken: Was das Wolfsein angeht, habe ich wohl noch eine Menge zu lernen, oder nicht?
    Jep , antwortete er. Sich so mit ihm zu unterhalten, fühlte sich an, als striche eine Feder an meinem bewussten Sein entlang, jedes Wort ein Kitzeln. Gut für dich, dass ich ein so guter Lehrmeister bin und die Zeit und Geduld mitbringe, mit jemandem zu arbeiten, der als Wolf derart untalentiert ist wie du.
    Den Handrücken über dem Mund, kicherte ich haltlos. Ich g laube kaum, dass ›untalentiert‹ das Wort war, nach dem du eigentlich gesucht hast. Wahrscheinlich hast du ›zu Großem berufen‹ oder ›schlicht fantastisch‹ sagen wollen. Mühsam unterdrückte ich den Impuls, den Teller abzulecken. Stattdessen drehte ich den Wasserhahn auf und spülte ihn ab.
    Tyler war mir nachgekommen. Der Zeitpunkt war so gut wie jeder andere, um ihn auf den neuesten Stand darüber zu bringen, was heute sonst noch los gewesen war. Mein Vater und ich waren darin übereingekommen, dass mein Bruder wissen sollte, was man uns per Mail zugespielt hatte. Zwar war der Link zur Prophezeiung Devon zugegangen, doch das hieß nicht, dass nicht auch längst andere Wölfe darüber Bescheid wussten. Wölfe und Technologie passten nicht gut zueinander außer in Form von Spielkonsolen und überdimensionierten Flachbildfernsehern. Aber Tyler musste von der Prophezeiung erfahren. Er hatte ein Recht darauf. Trotzdem hatte ich keine große Lust, das Ganze vor ihm auszubreiten.
    Ist alles für den Aufbruch vorbereitet? , fragte ich stattdessen.
    Ja. Es ist schon alles im Auto, und das wartet abfahrbereit auf uns. Er klaubte die leere Einmal-Alupfanne von der Theke, knüllte sie zusammen und warf sie in den Müll, ehe er den Sack zuband und aus dem Eimer zog.
    Mit dem Rücken lehnte ich mich gegen die Kante der Arbeitsplatte und verschränkte die Arme vor der Brust. Bevor wir losfahren, muss ich dir noch etwas sagen. Es ihm auf dem Gedankenwege mitzuteilen schien mir einfacher, weniger harsch als gesprochene Worte.
    Er schloss den Kühlschrank, dessen Tür er zwecks Inspektion des Inhalts aufgerissen hatte, setzte den Müllbeutel auf dem Boden ab und wandte sich mir zu. Das klingt nach etwas Ernstem. Er lehnte sich an den Türrahmen.
    Devon hat gestern eine mysteriöse Mail bekommen. Sie enthielt einen Link zu interessanten Neuigkeiten für uns. Es hatte ja keinenZweck, darauf herumzureiten. Mittels dieses Links hat er einige Puzzlesteine über Querverweise zu einem Bild zusammensetzen können, das uns Neues über mich verrät. Es geht darum, was oder wer ich sein könnte.
    Wer hat ihm diese Mail geschickt?
    Das weiß er nicht. Die Daten, die er gesammelt hat, kursieren bereits im Internet. Aber viel wichtiger ist, dass Dad auch mit von der Partie war und einen Teil der Informationen bestätigen konnte. Ich weiß allerdings immer noch nicht so recht, was ich von der ganzen Sache halten soll.
    Dad weiß, was du bist? Die Frage kam sehr zögerlich heraus.
    Ja. Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen. Er glaubt, ich sei die weibliche Reinkarnation einer Legendenfigur. Es geht um die Erweckung oder Wiederkunft des Wahren Lykan, eines mächtigen Wolfs oder so, der sich dereinst wieder erheben soll. Ehrlich gesagt, habe ich nicht alles so ganz verstanden, und glauben mag ich das Ganze sowieso nicht. Du merkst: Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Informationen aus dem Internet entsprechen nicht unbedingt immer den Tatsachen. Aber Dad kennt alte

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