Hale 1 Piraten der Liebe
Er war für ihre ungemütliche Situation verantwortlich, aber er litt überhaupt nicht! Sie muffelte ihn an und sagte kein Wort. Darüber sah er mit offenem Desinteresse hinweg, bedachte sie mit dem spöttischen Zucken einer Augenbraue und ging fort.
Cathy saß an einen Berg von Kissen gelehnt in ihrem riesigen Bett und nahm das Abendessen zu sich. Verstimmt musterte sie ihren Ehering, dessen glitzernde Steine das Licht der Kerze neben dem Bett reflektierten. Jon war ein Schuft, dachte sie bitter. Gerade jetzt konnte er mit einer anderen Frau Zusammensein, sie küssen und sie lieben. Cathys ganzer Körper brannte vor Eifersucht. Wenn Jon dagewesen wäre, hätte sie ihm mit dem größten Vergnügen eine Ohrfeige gegeben.
Wütend stach sie mit ihrer Gabel in ein Stück Huhn und stellte sich dabei vor, daß es Jon wäre. Als sie dann mit grimmiger Zufriedenheit hineinbiß, weiteten sich plötzlich ihre Augen. Eine Menge Flüssigkeit lief über ihre Beine und durchnäßte die Decken und die Matratze. was um Himmels willen... Sie sah verblüfft an ihrem Körper herunter. Sie hatte sich naß gemacht! Dann dämmerte ihr die Wahrheit. Die Zeit war gekommen. Das Baby wollte hinaus!
Sie sah sich nach der Glocke um, die eigentlich auf dem Tischchen neben dem Bett hätte stehen sollen. Sie war nicht da. Bei Martha und diesen verwirrten Haussklaven stand nichts auf seinem Platz. Aber sie brauchte dringend Hilfe. Sie versuchte zu rufen, aber ihre Stimme war schwach, und sie war sich darüber im klaren, daß man sie außerhalb des Zimmers nicht hören konnte. Also biß sie die Zähne zusammen, schwang ihre Füße über die Bettkante und erhob sich vom Bett. Sie mußte sich jetzt keine Sorgen mehr darüber machen, daß sie etwas tun könnte, was die Ankunft des Babys hervorrufen würde. Es war sowieso auf dem Weg!
Ihre Beine waren durch das dauernde Liegen im Bett zittrig, aber es gelang Cathy, sich zur Tür hinüberzuschleppen. Dabei hielt sie sich an den Möbeln fest. Die erste Schmerzwelle traf sie, als sie die Vorhalle betrat. Sie krümmte sich und schnappte nach Luft. Es war jedoch so schnell vorüber, wie es gekommen war. Es war gar nicht so schlimm, dachte sie erleichtert. Vielleicht würde die Geburt des Kindes keine solche Tortur sein, wie sie befürchtet hatte.
Ihr Zimmer war nur drei Türen von der Treppe entfernt. Sie schaffte es bis zum Treppenabsatz. Dort lehnte sie sich über das Geländer und blickte nach unten. Den Abstieg wagte sie nicht. Ein Fall konnte möglicherweise beide, sie selbst und das Kind, töten.
»Martha!« rief sie. Ihre Stimme war bedauernswert schwach. Sie versuchte es wieder. »Martha!«
Eine der Türen, die in die Eingangshalle führten, öffnete sich, und Cathy konnte den beruhigenden Schein einer Lampe sehen, der auf eines der Bücherregale fiel. | Sie wollte gerade wieder rufen, als Jon mit einem anderen Mann in die Halle trat.
»Ich danke Ihnen vielmals, daß Sie vorbeigekommen sind, Bailey«, sagte Jon und schüttelte dem Mann die Hand.
»Es war mir ein Vergnügen, Kapitän Hale«, antwortete der Fremde.
Cathy versuchte, in den Schatten des oberen Flurs zurückzutreten, weil sie keine Aufmerksamkeit erregen wollte, solange dieser fremde Mann anwesend war, aber eine neue Welle des Schmerzes durchfuhr sie, und ihr entschlüpfte ein kleines Stöhnen.
Jon blickte beinahe abwesend die Treppe hinauf. Sobald er Cathy am oberen Treppenabsatz erblickt hatte, gefror sein Gesicht voller Ungläubigkeit.
»Mein Gott!« stieß er hervor und kam die Treppe heraufgerannt, wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm. Cathy spürte, wie sich zwei starke Arme mit unendlicher Zartheit um sie legten. Sie legte ihren Kopf zurück und versuchte, ihn anzulächeln. Diese Bemühung wurde durch einen neuen Schmerz unmöglich gemacht.
»Es ist soweit... ich bekomme das Baby!« stöhnte sie, wobei sie von einer neuen Wehe überrollt wurde.
Jon nickte, und sein Gesicht war weiß unter dem dunklen Teint.
»Ich werde dich tragen«, sagte er mit sehr ruhiger Stimme. »Du mußt nicht einmal deine Arme um meinen Nacken legen. Entspann dich einfach. Es wird alles gut!«
Er hob sie sanft hoch und brachte sie vorsichtig zurück in ihr Schlafzimmer. Vorsichtig legte er sie auf das Bett und ging zur Tür zurück. Sein Ruf nach Martha erschütterte das Haus bis in die Grundfesten.
15. Kapitel
Die Geburt dauerte fast zwanzig Stunden. Als die Nacht hereinbrach, erkannte Martha, daß sie schwierig werden würde,
Weitere Kostenlose Bücher