Hale 2 Freibeuter des Herzens
diesem offenen Boot, und das einzige, was er über Geburtshilfe wußte, kannte er von Fohlen und Kälbern. Er hatte schreckliche Angst, sie könnte sterben. Er hatte alles in seiner Macht stehende getan, um es ihr so angenehm wie möglich zu machen, aber sie mußte furchtbare Schmerzen haben. Mit zusammengebissenen Zähnen wünschte er sich im Stillen, er könnte die Schmerzen für sie übernehmen. Er würde alles tun, um sie nicht so leider sehen zu müssen! Aber es war sinnlos. Er konnte nur zusehen und versuchen, ihr so gut wie möglich zu helfen. Alles andere lag in ihren und Gottes Händen!
»Schrei, Cathy«, hatte er ihr schon bald gesagt, als er gesehen hatte, wie sie ihre Schreie unterdrücken wollte. »Schrei, Liebling, wenn du dich dadurch besser fühlst. «
Schließlich hatte sie geschrien, vermutlich, weil sie es nicht länger aushielt. Jeder ihrer Schreie war wie ein Degenhieb gewesen. Hilflos hatte er ihre Hand festgehalten und nicht einmal gemerkt, wie sich ihre Nägel in seine Haut bohrten.
Nach der nächsten Wehe kniete sich Jon zwischen ihre Beine, um zu sehen, ob schon die ersten Anzeichen der Geburt zu erkennen waren. Er fürchtete, wenn das Kind nicht bald kam, würde Cathy zu schwach sein, um genug eigenen Lebenswillen zu haben. Mit zusammengebissenen Zähnen empfand er auf einmal einen abgrundtiefen Haß für dieses Ding,
das sie umbringen zu wollen schien. War es aus seinem Samen entsprungen, war er ebenfalls ein Mörder. War es Harolds Kind - Jons Augen blitzten bitter. Wenn Cathy starb, würde er Harold umbringen!
»O Gott! « stöhnte sie, als sich eine neue Wehe ankündigte. Jon sah, wie sich ihr gewaltiger Bauch bewegte, und mit einer schwachen Erinnerung an Petersham, bei der Geburt eines Fohlens, legte er seine Hand auf ihren Bauch und drückte mit nach unten. Sie warf ihren Kopf hin und her und stöhnte. Der einzige Hoffnungsschimmer lag in der Tatsache, daß die Wehen in immer kürzeren Abständen kamen. Sicher bedeutete das, daß die Geburt unmittelbar bevorstand. Er betete, daß es so war. Tränen des Schmerzes und der Erschöpfung liefen Cathy über die Wangen, und sogar Jon stiegen bei diesem Augenblick Tränen in die Augen.
»Versuche es noch einmal, Cathy«, ermutigte er sie, als sie wieder aufgeben wollte. »Nur noch einmal, Cathy, du mußt es versuchen! «
Cathy, deren Gedanken sich nur noch um ihre Schmerzen drehten, vernahm dennoch seine Stimme. Warum quälte er sie so? ging es ihr durch den Kopf. Alles, was sie wollte, war hier zu liegen und einzuschlafen...
Aber ihr eigener Körper ließ es nicht zu. Alle Muskeln schienen sich zu verkrampfen, und sie schrie, ehe sie es verhindern konnte. Der Schmerz fraß sie auf, und sie wollte einfach nicht mehr. Und immer wieder wurde sie von Jon gedrängt. Konnte er denn nicht sehen, daß sie müde war...?
Wieder zog eine Welle des Schmerzes durch ihren Körper. Cathy verkrampfte sich, schrie, und es kam ihr vor, als würde sie in zwei Teile zerrissen.
»Es kommt! Cathy, es kommt! Preß weiter, Liebling, wir haben es gleich geschafft! «
Sie konnte seine Hände spüren, die versuchten, ihr zu helfen. Und sie mußte nicht länger auf seine Kommandos hören. Ihr Körper tat automatisch das Richtige. Ohne ihr Zutun preßte sich ihr Körper zusammen, um das Kind herauszupressen. Schnaufend, schluchzend und tränenüberströmt preßte sie, so fest sie konnte. Plötzlich war jeder Widerstand weg, und es war, als löste sich nach langer Anstrengung der Korken einer Flasche. Erleichtert sank sie in sich zusammen. Sie konnte spüren, wie ihre Schenkel warm und klebrig wurden.
»Cathy, du hast es geschafft! Mein Gott, du hast es tatsächlich geschafft! « Jon war außer sich und ein breites Grinsen legte sich auf sein Gesicht, als er das Kind mit den Händen auffing. Er sah, daß Cathy blaß und regungslos dalag, ohne zu begreifen, was er tat. Einen Augenblick lang blieb ihm fast das Herz stehen. Dann bemerkte er die weichen Bewegungen ihrer Brüste und war beruhigt. Sie hat nur aus Schmerz das Bewußtsein verloren, sagte er sich. Am besten ließ er sie jetzt ruhen, bis sie wieder ein wenig zu Kräften gekommen war. Dabei blickte er das winzige Wesen auf seinem Arm an, das noch immer mit der Nabelschnur mit seiner Mutter verbunden war. Was sollte er jetzt mit dem Baby tun? fragte er sich verzweifelt. Vage erinnerte er sich daran, wie er gleich nach Crays Geburt in das Zimmer geplatzt war. Der Arzt hatte den Jungen an den Beinen
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