Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
kann augenblicklich nur eine näher kommende, geduckte Gestalt wahrnehmen.
»Uno, duo, tre, quattro!«, höre ich die Person leise vor sich hinzählen. »Oh!«
Tja, da schaut er! Ich blockiere nämlich seinen Weg. Demnach platze ich auf Cinque .
»Verzeihung«, stammle ich hervor. »Sitze ich auf ihrem Platz?«, frage ich flüsterleise.
»Wenn das hier Sitz sieben ist, dann schon?«, antwortet er mir und deutet auf meinen Platz.
(O das war lupenreines Deutsch! Schade, dann handelt es sich hierbei wohl doch nicht um Francesco.)
»Oh, Platz sieben ist zwei weiter«, erkläre ich ihm und will Reihe fünfzehn, Sitz sieben gerade den Weg freimachen, als ...
»Lassen Sie’s gut sein. Ich werde einfach neben Ihnen Platz nehmen.«
»Ssscht ...«, kommt es indessen mahnend von rückwärts!
Ich werfe rasch meinen Mantel auf den gegenüberliegenden Stuhl und danach blicke ich verstohlen auf meine linke Seite. Die Konturen seines Gesichtes zeichnen sich in der düsteren Spiegelung des Films nur vage ab. Ich kann meinen Sitznachbarn allerdings nur kurz mustern, nachstehend wende ich meinen Blick wieder ab und spähe auf die schaurigen Geschehnisse der Leinwand.
Nach zwanzig Minuten bin ich fix und foxi. Um mich bestmöglich vom spannungsgeladenen Psychothriller abzulenken, habe ich meine Naschereien bereits restlos verschlungen. Das Resultat meiner übereilten Hinunterwürgerei ist: Mein Magen reagiert massivst auf die plötzliche Überladung. Das Völlegefühl von heute Morgen stellt sich unverzüglich wieder ein. Na, dann werde ich eben wieder mal meine Gürtelschnalle lockern.
Ich habe ja nicht angenommen, dass dieser Film an Intensität zulegen kann, aber er kann. Leider! Ich drücke meinen Luxusbody noch weiter in den Sitz hinein; ich habe somit langsam das Gefühl, direkt am Boden zu platzen. (Das ist eigentlich typisch: Ausgerechnet heute prangt vor mir kein groß gewachsener Mann und versitzt mir damit die Aussicht auf die Großleinwand.)
Nach neunzigminütigem Horrorschocker – zumindest für mich und mein labiles Nervenkostüm - kann ich getrost behaupten, noch nie so dermaßen lange und konzentriert auf den Kinositz vor mir gestarrt zu haben. Meine Handflächen habe ich dabei immer wieder dezent als Augenblenden benutzt. (Ich muss hierbei zweifelsfrei feststellen, dass die Musik ohne Bild auf mich nur halb so schrecklich wirkt ... und umgekehrt.)
Endlich, der Abspann des Films läuft und das Lichtermeer findet den Weg zurück in den entsetzlich dunklen Kinosaal. Ich werde heute Nacht kein Auge zutun, soviel ist gewiss.
So, schnell raus, aus dem schaurigen Gruselhaus! Ich packe meine Habseligkeiten rasch zusammen und suche auf dem Boden nach meinem angehäuften Müllberg.
»Autsch!«, stoße ich erschrocken hervor. Ich bin soeben fatal mit der Denkerstirn meines Sitznachbarn zusammengeprallt! ... Der hat ja wohl eine harte Birne.
»Ebenfalls«, erwidert er charmant.
»Oh, Sie sind’s«, entweicht es mir erstaunt.
Ich blicke doch tatsächlich in die haselnussbraunen Augen von Signore Francesco. Mir wird dabei ganz schwummrig.
»Tja, so schnell sieht man sich wieder«, stellt er lächelnd fest. »Sie sind wohl ein unglaublicher Dickschädel, was?«, bemerkt er und reibt sich dabei demonstrativ seine Schläfe.
»Nun ja, was soll ich Ihnen sagen, ich bin eben ein weibliches Wesen.«
»Und, wie hat Ihnen der Film gefallen?«
»Keine Ahnung«, antworte ich ihm aufrichtig. Ich bin ganz schön aus dem Häuschen, ein Wunder, dass es mir die Sprache nicht gänzlich verschlagen hat. »Aber wussten Sie, dass in der Reihe vor uns zweiundzwanzig Stühle montiert sind. Wogegen die Reihe davor nur mehr einundzwanzig hat.«
»War ganz schön schaurig, nicht wahr?«
»Dieser Film ist nichts für schwache Nerven.«
»Sie wirken auf mich, als ob Sie einen Beruhigungstee vertragen könnten. Darf ich Sie, natürlich nur, wenn Sie nichts Besseres vorhaben, oder niemand auf Ihre Gesellschaft wartet, auf einen solchen einladen?«
Oh, ist dieser vermeintliche Gentleman nicht unbeschreiblich menschenfreundlich und rücksichtsvoll? Und, was noch anspornend dazukommt: Nirgends an ihm ist ein typisches Ich bin bereits aussichtslos vergeben - Zeichen zu erspähen. Juhu!
»Oh, ich weiß nicht, ob ein Tee allein Abhilfe wird schaffen können.«
»Sie haben recht. Ein Rum mit einem Schluck Tee oder ein Grog wären sicherlich idealer.«
»Na, dann!«
»Ach, übrigens. Ich bin zu Deutsch Franz«, verkündet er und streckt
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