Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
fünf Chefs im Dienst sind. Wer hat frei?«
»Iris kommt um elf und Bernadette hat heute frei!«
»Nun, dann werde ich Frau Klein gleich mal anrufen und sie unverzüglich herbeordern.«
»Bernadette ist, soweit ich weiß, heute nicht in der Stadt«, kündigte ich ihr knapp an.
(Da hatte man im Dezember ohnehin nur einen Tag pro Woche frei und der sollte auch noch vor die Hunde gehen. Glücklicherweise ist Bernadette nach München gefahren.)
»Wer kommt sonst noch infrage?« Sie blickte dabei zähnefletschend auf den ausgestellten Dienstplan. Flink überflog sie die Zeilen und hielt angrenzend bei Raffaels Namen an. »Herr Winter beginnt erst um sieb
zehn Uhr, ist das richtig?«
Ich trat an sie heran, Sicherheitsabstand inklusive. »Das ist korrekt!«
»Gut, dann wird eben Herr Winter ein wenig früher seinen Dienst antreten«, stellte sie bestimmend fest.
Leider kennt sie den Kaffeehaus-Hausbrauch und demzufolge weiß sie auch, wo unsere private Telefonnummernliste prangte. Sie fischte ihr Handy aus der Jackentasche und gab im Anschluss Raffaels Nummer ein, ohne ihn jedoch gleich direkt anzuwählen.
»Nun zu Ihnen!«, fuhr sie im gefährlich instruktiven Tonfall fort. »Ich möchte, dass Sie dafür sorgen, dass die Musikanlage intakt ist, dass das Licht zeitig gedimmt wird, dass genügend Mehlspeisen in der Vitrine sind und dass alle Marmortische nach Kaugummis abgesucht werden!«
»Wie bitte?« Ich stellte mich an dieser Stelle gewiss nicht dümmer als ich bin (oooh, das war jetzt aber nicht gerade ein sachdienliches Kompliment für mein Hirn), aber ich kapierte die letzte Befehlsinstruktion einfach überhaupt nicht.
»Ist denn das so schwer zu verstehen«, paffte sie mich an. »Sie sollen unter den ganzen Tischen nach Kaugummis suchen«, erklärte sie mir ungeduldig und nun deutlich lauter.
Nach diesem netten Pläuschen entschwand sie mit ihrem Handy am Ohr aus meinem Blickwinkel.
Ich musste nun dringend Raffael anrufen und ihn vorwarnen. Ich kramte unverzüglich in meinem Schubfach ...
Oje, der Liptauer hatte sich mittlerweile ungehindert auf der Tastatur meines Mobiltelefons breitgemacht! Nachdem ich mein verstecktes Handy (auch dies ist ein Relikt, das von uns Normalsterblichen nur im Kellergeschoss benützt werden durfte. Groteske Anmerkung am Rande: Und dort hat man keinen Empfang) weitgehend gesäubert hatte, startete ich die Wählerverbindung.
Tüt-Tüt-Tüt! Seine Nummer war zweifelsfrei besetzt.
Raffael hatte mich, gleich, nachdem er das kurzweilige Telefongespräch mit Miss Rottmayer beendet hatte, sogleich zurückgerufen.
Nun ja, das hatte er davon! Jetzt musste unser werter Mister Spätdienst bereits um zwölf Uhr im Coffee-Shop antanzen.
Überpünktlich war Raffael zur Stelle. Er schien aber wegen seines frühzeitigen Arbeitsbeginns nicht sonderlich erbost zu sein, und da er bislang so gut wie keinen Kontakt zu den Querelen der Mittags- und Nachmittagskundschaft hatte, war er äußerst gut gelaunt. Er hatte mir mitgeteilt, dass er ohnehin in der Stadt unterwegs war und dass er schon alle Besorgungen erledigt hatte, bevor der Anruf der Managerin kam.
Zur Feier des Tages durfte er die heiß geliebte, hintere Station übernehmen.
Motto hierbei: Mitgehangen – mitgefangen!
Sein persönliches Soll hatte er gleich in der ersten Viertelstunde absolviert. Als uns Frau Waller (ein überaus rabiates Persönchen) einen Besuch abstattete und hohen Hauptes an ihm vorüber schritt, begrüßte er sie wie folgt: »Guten Tag, Frau Forelle!« (Frau Waller war daraufhin Not Amused – soviel kann ich Ihnen versichern.)
Raffaels anschließender, leiser Kommentar zu uns: »Ich habe ja gewusst, dass Sie nach irgendeinem Fisch benannt ist!«
Frau Wallers Anschauung über die Taktlosigkeit dieses unfähigen und dreisten Mitarbeiters war lange Zeit nicht verstummt, aber Iris konnte sie schließlich nach mühsamen Gut-Zureden wieder zur Besinnung bringen. Natürlich wollte das aufgebrachte Weibchen dann nicht mehr bei Raffael im Nichtraucher platzen, sondern landete mit ihrem beschaulichen Hinterteil auf meiner Station. Nachdem ich ihr die Bestellung mit einem aufgesetzten Lächeln abgeluchst hatte, stahl ich mich sicherheitshalber rasch davon.
Dies war Raffaels erster Streich und der nächste folgte gleich! - Szene II , erspäht an der Kuchenvitrine:
»Bitte, was darf es denn für Sie sein?«, fragte Raffael.
»Vier Stück zum Mitnehmen!«, rief ihm eine Frau mittleren Alters über die Anhöhe des
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