Halloween
liegt es am Wetter, den niedrigen Wolken, die das Grau vor der Abenddämmerung nachahmen, und der Veränderung, die jeden Tag um diese Uhrzeit vor sich geht, der sehnsüchtigen Erwartung von Avons erstem Stoßverkehr. Und okay, wir geben es zu, teils liegt es auch an uns; wir wünschten, wir könnten für immer hier bleiben – genau das Gegenteil von Tim.
In der Highschool läuft die letzte Stunde. Im Büro ist man damit beschäftigt, den Schülern Bescheinigungen auszustellen, weil sie zum Kieferorthopäden oder zur Klavierstunde müssen. In demriesigen Dattco-Depot hinter Rotondo Concrete beugen sich die Schulbusfahrer über die grünen Sitze und drehen die Fensterscheiben hoch, bevor sie mit eingeschalteten Scheinwerfern und laufenden Scheibenwischern losfahren. Stark wie eine gepanzerte Armeekolonne fährt der Konvoi um die Lagerräume und den Towpath-Wohnblock herum und biegt (wo wir geradeaus fuhren) in die Country Club Road, schlängelt sich über den Hügel und an dem matschigen Golfplatz vorbei, wo die Lichter des Clubhauses brennen, weil dort die Vorbereitungen für die große Party am Abend laufen. Sobald sich die Busse gefüllt haben und ausschwärmen, um ihre Route abzufahren, fließt der Verkehr nur noch zäh, und die ganze Stadt ist ihren blinkenden Lichtern und ausgeklappten Stoppschildern ausgeliefert. Die Prozedur dauert zwei Stunden, denn dieselben Busse fahren zur Mittelschule und dann zu den einzelnen Grundschulen, kreuz und quer und wieder zurück, und halten an genau denselben Haltestellen.
Der Regen verdirbt alles, gibt dem normalen Feiertagsgewirr noch eine gewisse Dringlichkeit. Vor der Mittelschule steht schon eine Reihe Kleinbusse. Auf der 44 wird der Verkehr dichter, Moms, die ihre letzten Besorgungen machen (oder ihrem Zeitplan hinterherhinken und die chemische Reinigung noch einen Tag aufschieben) und nach Hause brausen, um früher da zu sein als ihre Kinder. Die Bücherei macht sich auf den Ansturm von Schülern gefasst, die die Computer benutzen wollen; an dem Blatt, auf dem man sich eintragen muss, ist ein Kugelschreiber befestigt. In Roaring Brook und Pine Grove paradieren die Kinder durch die Flure, alle kostümiert, und sagen vor jedem Zimmer ihren Spruch auf, während über die Sprechanlage gespenstische Klangeffekte abgespielt werden.
Aber noch bevor irgendjemand gehen darf, bevor die Busse drehen und im Leerlauf vor der Highschool stehen, überquert der überbreite Kleinbus, in dem Kyle sich befindet, am Friedhof die Stadtgrenze, und Peggy bekreuzigt sich. Nervös beugt sie sichwegen des Regens ständig vor. Kyle hält sein Draculagebiss in der Hand und versucht, das Mädchen hinter ihm zu erschrecken, aber es lacht bloß. Ihr Name ist Cheryl, und sie trägt eine rosa Jacke über ihrem Katzenkostüm und hat die Glupschaugen, die Knollennase und die dicken Arme und Beine des Down-Syndroms. Kyle mag sie. Er schnappt mit dem Gebiss nach ihr, und sie weicht zurück, die Hände erhoben, um ihn abzuwehren.
(Als ob sie
zwölf
wäre, sagt Danielle.
Nimm ihr das nicht übel, aber der Transportbus ist für Danielle der reinste Graus. Auch Toe sagt kaum was. Sie können sich nicht daran gewöhnen, dass Kyle hier ist – das passt nicht zu Kyle.)
«Guckt mal alle», fordert Peggy sie von vorn auf und deutet auf den Weidezaun entlang der Straße. Das kitschige Holzmodell einer Kuh, das von seinem Besitzer zu jedem Feiertag verkleidet wird, trägt einen steifen kegelförmigen Hexenhut, und im Baum darüber hängen Kürbislaternen aus Plastik.
Der ganze Bus lacht und klatscht in die Hände, ist einen Moment lang völlig ausgelassen. Eine Kuh! Mit einem Hexenhut!
(Mein Gott, sagt Toe und sieht sich nach dem echten Kyle um – nirgends zu sehen, aber wir können ihn spüren.)
«Okay», sagt Peggy, «beruhigt euch», denn einer von den Jugendlichen schlägt gegen sein Fenster. «Sonst muss ich anhalten.»
Eine Warnung genügt. Sie gehorchen, bis der Nächste abgesetzt wird (seine Mom wartet mit einem Golfregenschirm am Fuß der Einfahrt), dann kommt von hinten eine Yankees-Kappe geflogen, die neben Kyle im Gang landet. Es ist ein beliebtes Spiel, und er schnappt sie sich und wirft sie über die Reihen. Peggy schaut in den Spiegel über ihrem Kopf und tippt auf die Bremse, sodass alle Köpfe nach vorn fliegen.
«Das ist jetzt das zweite Mal», sagt sie. «Gib sie
sofort
zurück.»
Kyle ist so sehr von ihrer Schelte in Anspruch genommen, dass er sein Gebiss vergessen hat. Er hatte es
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