Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
Vom Netzwerk:
fahren – dort oben gibt es keinen Seitenstreifen, auf dem man sich vorbeizwängen könnte. Brooks fährt mit hundertfünf, einem angemessenen Tempo, über die Ampel, gibt dann bergauf Gas und konzentriert sich wieder.
    Auf halber Strecke steht ein Schild mit der Aufschrift LANGSAMERE FAHRZEUGE RECHTS EINORDNEN. Der Vic schaltet automatisch in Overdrive und kämpft sich den Berg rauf. In den ersten beiden Kurven ist niemand, bloß die Straßenlaternen und die dunklen Bäume, abfließendes Wasser im Rinnstein, aber als er in die lang gezogene Kurve vor dem Felsvorsprung biegt, sieht er weit vorn den Unfallort, eine hundert Meter lange Doppelschlange von Autos, die in Richtung Osten unterwegs sind, das flackernde Blaulicht, das über die Kiefern streicht, und als er an den Gaffern vorbei auf die Gegenfahrbahn gleitet und langsamer fährt, sieht er den Ring aus Streifenwagen und Tahoes und mittendrin die beteiligten Autos, da, wo sie liegen geblieben sind – keins davon ein roter Jeep, wie er halb befürchtet hat.
    Frontal. Schlimm, bei einem die Haube ganz zusammengedrückt.
    Er stellt das Getriebe auf Parken, lässt das Blaulicht an und die Schlüssel im Zündschloss stecken. Die Luft ist erfüllt vom Piepen Dutzender Funkgeräte. Noch bevor er sehen kann, ob jemand verletzt ist, betrachtet er die Stellung der beiden Wagen – ein Acura und ein anderer, der das meiste abgekriegt hat. Der Zusammenstoß ist wie aus dem Lehrbuch; wahrscheinlich hat er so was im Computer. Das bergab fahrende Fahrzeug wurde weit rausgetragen, das bergauf fahrende hat die Kurve geschnitten; einer von beiden, vermutlich der bergab Fahrende, bremste, zog nach links, und peng!
    Der Gestank geht ihm an die Nieren, diese heiße Mischung aus verdampfendem Frostschutzmittel und Benzin. Glas knirscht unter seinen Füßen, Plastiksplitter vom Kühlergrill und der verbogenen Stoßstange. In den Autos sitzt niemand. Sie haben die Fahrer schon auf die Straße gelegt und machen sich an ihnen zu schaffen, das Gesicht einer Frau in einem Gewirr von Beinen, und Brooks wendet sich ab, bevor er noch mehr zu sehen kriegt, und sucht nach dem verantwortlichen Beamten.
    Von der anderen Seite nähert sich ein Krankenwagen, dessen Sirene verstummt, Sanitäter mit Gummihandschuhen kommen mit einem Rückenbrett angerannt. West Hartford ist da und hilft direkt hinter der Stadtgrenze aus. Brooks sucht Saintangelo, denn sein Tahoe steht mitten auf der Straße, doch er entdeckt bloß Eisenmann, der ihn zum Leiter der Spätschicht schickt – Mason, dem sie Brooks’ Sergeantstelle gegeben haben, als die Sache rauskam. Mason ist in Ordnung, Brooks hat keinen Zoff mit ihm, das ist bloß Pech, alte Geschichten. Er kniet sich hin, leuchtet mit einer Lampe in den zerknautschten Acura.
    «Wie ist das passiert?»
    «Sieht aus, als wäre der Typ betrunken gewesen.»
    «Werden sie’s überstehen?»
    «Ja, bloß eine Menge Blut.» Mason richtet die Lampe auf den Fahrersitz und die Fußmatte, um es ihm zu zeigen, und Brooks kann es ertragen. Er hat Unfälle nachgestellt, die einem Leichenbeschauer Albträume bereitet hätten – Wagen, die sich überschlagen hatten, Fahrer, die enthauptet oder aufgespießt worden waren. Leute mit Mehrfachverletzungen. Das erklärt nicht, warum er plötzlich auf Mason wütend ist, als wäre das hier seine Schuld, oder warum er am liebsten weglaufen würde.
    «Wo soll ich hin?», fragt Brooks ganz sachlich, während ein Tieflader von MacDonalds Reparaturwerkstatt angerumpelt kommt.
    Mason deutet auf den angehaltenen Verkehr. «Schick die Leute weg und sperr dann diese Bergseite ab.»
    Zuerst ist Brooks insgeheim erleichtert, aber als er die Unfallstelle von Zivilisten geräumt, den Vic am Fuß des Berges quer über beide Fahrspuren geparkt und eine Reihe von Magnesiumlichtern aufgestellt hat, fühlt er sich schwer beleidigt, und Mason ist plötzlich ein Arschloch. Sein Adrenalinspiegel ist wieder unten, und er ist mit den Nerven am Ende. Er hat niemandem geholfen und fühlt sich leer, aber so ist dieser Job. Es kommt ihmseltsam vor, dass er diese Anspannung früher erregend fand, als wäre er damals krank gewesen, verdreht. Oder ist er jetzt krank?
    Ein Krankenwagen kommt mit Blaulicht den Berg runtergerast, und er muss die Kreuzung absperren, um ihn durchzulassen. Das ist seine gute Tat für heute (zu spät). Bevor er seinen Posten verlässt, beobachtet Brooks, wie der Wagen auf der Geraden in die Stadt braust, zwischen der Exxon-und der

Weitere Kostenlose Bücher